Der Gast: Roman
Hättest du, abgesehen von der Beschreibung des Mannes und seiner Wunden, irgendwelche Informationen, die der Polizei helfen könnten, das Verbrechen aufzuklären?«
»Ich glaube nicht. Und ich hab letzte Nacht getan, was ich konnte. Ich habe ihn gesucht, seinen Wagen unbrauchbar gemacht. Es hat mich überrascht, dass er entkommen ist. Verdammt, ich bin überrascht, dass er nicht gestorben ist, als ich am Freeway auf ihn geschossen habe. Ich weiß, dass ich ihn getroffen habe. Ich meine, er ist umgefallen. Und er hat in Elises Haus geblutet.«
»Möchtest du sonst noch etwas hinzufügen?«, fragte Marta.
»Das war’s, glaube ich. Hast du noch Fragen?«
Marta zuckte die Achseln, schaltete die Kamera aus und rutschte mit ihrem Stuhl dahinter hervor.
»Was nun?«, fragte Neal.
»Sollen wir das Band zur Polizei bringen?«
»Nein. Soll das ein Witz sein? Ich habe Sachen gestanden, für die ich eine Geldstrafe kriegen oder ins Gefängnis kommen kann. Außerdem würde ich wahrscheinlich vorbestraft sein. Darüber habe ich bis jetzt noch gar nicht nachgedacht. Meine Lehrerlaubnis könnte aberkannt werden. Ich könnte meinen Job verlieren.«
»Könnte man dich deswegen rauswerfen?«
»Ich bin mir nicht sicher, aber ich würde es nur ungern drauf ankommen lassen.«
»Eigentlich solltest du einen Orden bekommen.«
»Man bekommt keinen Orden dafür, dass man Verbrecher erschießt. Nicht, wenn man kein Polizist ist … und hier kann sogar ein Polizist dafür belangt werden.«
»Also händigen wir das Band nicht aus«, sagte Marta.
»Ich wüsste nicht, was wir davon hätten. Es würde der Polizei vielleicht helfen, Klarheit darüber zu gewinnen, was ich in Elises Haus getan habe, aber sie würden dadurch nicht erfahren, wer den Mord begangen hat. Und sie könnten auf die Idee kommen, dass ich der beste Kandidat bin.«
»Okay«, sagte Marta. »Du hast wahrscheinlich recht.«
»Falls ich in die Sache hineingezogen werde, sollten wir darüber nachdenken, das Video abzuliefern. Es könnte mir aus der Klemme helfen, zumindest was den Mord angeht.«
»Gut. So machen wir’s.« Marta öffnete das Kassettenfach und nahm das Band aus der Kamera. Sie warf es Neal zu. »Es gehört dir. Aber ich habe einen Vorschlag.«
An: Ermittlungsbeamte im Fall Elise Waters
Datum: 10. Juli 1995
Sehr geehrte Damen und Herren,
ich habe Informationen aus erster Hand die Identität des Mannes betreffend, der in der Nacht des 9. Juli 1995 Elise Waters ermordete.
Es handelt sich um einen Weißen, circa einen Meter fünfundachtzig groß und dünn, beinahe ausgezehrt. In der Tatnacht war sein Haar sehr lang und wirr, und er trug einen Vollbart. Zu seinem Alter kann ich keine genauen Angaben machen, doch er ist vermutlich zwischen zwanzig und vierzig.
Das Opfer kannte ihn nicht.
In der Tatnacht könnte er Schusswunden an Kopf und Oberkörper davongetragen haben. Eine am Kopf, drei am Körper. Alle verursacht durch Patronen vom Kaliber .380.
»Wie findest du das?«, fragte Neal über die Schulter. Seine Finger lagen noch auf den Tasten der Schreibmaschine.
»Gut.« Marta lächelte. »Die flippen aus, wenn sie das sehen. Ich hoffe nur, dass sie es auch glauben.«
»Sie werden es glauben«, sagte Neal. »Das Schwein hat in ihrem Haus geblutet. Und ich habe die Patronenhülsen liegen gelassen, nachdem ich auf den Wagen geschossen habe. Es sind Kaliber .380. Sie werden es glauben.«
Er betätigte den Knopf zum Anheben der Walze der alten Royal-Reiseschreibmaschine.
Marta, die Gummihandschuhe trug, zog das Blatt heraus. Sie faltete es und schob es in einen Umschlag, den sie bereits beschriftet und mit einer Briefmarke versehen hatten.
Die getippte Adresse lautete:
LOS ANGELES POLICE DEPARTMENT
West Los Angeles Station
1663 Butler Avenue
Los Angeles, CA 90066
Marta klebte den Umschlag zu.
»Was glaubst du, wann sie den Brief bekommen?«, fragte Neal.
»Ich bringe ihn auf dem Weg zum Flughafen zur Post. Vielleicht in Inglewood. Dann geht er wahrscheinlich morgen früh raus. Am Mittwoch sollte die Polizei ihn erhalten.«
»Das reicht«, sagte Neal.
16
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Um kurz nach elf Uhr abends machte sich Marta mit dem Umschlag in der Handtasche auf den Weg zur Arbeit.
Nachdem er sie zum Auto begleitet hatte, ging Neal zurück zu ihrer Wohnung und schloss mit dem Schlüssel, den sie ihm gegeben hatte, die Tür auf. Er setzte sich aufs Sofa. Er fühlte sich zittrig, und sein Herz schlug schnell.
Okay, sagte er sich. Sie ist weg.
Was soll ich
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