Der Gast: Roman
auch Kunden dort.
Alles schön und gut, aber was, wenn ich irgendwelchen Halbstarken begegne?
Neal lachte. Er fragte sich, ob sein Körper einige Straßenzüge weiter auf Martas Bett ebenfalls lachte.
Der Gedanke wurde von einer filmähnlichen Szene im Kopf des Schleichers unterbrochen. Er stellte sich vor, wie er in einem hell beleuchteten 7-Eleven-Laden einer Bande höhnisch grinsender jugendlicher Schläger gegenüberstand. Als sie ihn sahen, begannen sie miteinander zu tuscheln. Dann zeigten sie auf ihn und lachten. Er rannte aus dem Laden. Sie jagten ihn, johlten und riefen: »Schwuchtel!«
Bei dieser demütigenden Vorstellung wurde dem Schleicher ganz heiß vor Scham.
Das ist ein blödes, lächerliches Outfit!
Er hatte das plötzliche Bedürfnis, sich den Schlapphut und den Umhang vom Leib zu reißen und die Sachen in die nächste Mülltonne zu werfen.
Aber dann stellte er sich vor, wie er nur in Badehose und Stiefeln nach Hause ging.
Neal sah das Bild vor Augen. Die Rückansicht eines ziemlich großen, aber dürren jungen Mannes, vermutlich nicht älter als achtzehn, der die Gasse entlangeilte. Der Kopf rasiert. Die großen Ohren abstehend. Die Haut so weiß, dass sie in der Nacht leuchtete. Eine kleine, zu enge Badehose, die an seinem knochigen Hintern klebte. Große alte Stiefel, in denen er herumtrampelte, als hätte er Eimer an den Füßen.
Ein ziemlich bemitleidenswertes Bild, dachte Neal.
Der Schleicher hatte denselben Gedanken. Er beschloss, Schlapphut und Umhang anzubehalten.
Gute Idee, dachte Neal.
Der Schleicher versuchte, seine brennende Scham zu überwinden.
Niemand lacht über den Schleicher. »Schrei, wenn du mich siehst. Ich bin der Dämon der Nacht. Ich bin der Geier und du das Aas. Ich picke dir die Augen aus und schlucke sie am Stück.« Scheiße.
Seine Laune war verdorben.
Das ist nicht gut. Ich hätte zu Hause bleiben sollen. Ich muss verrückt sein. Was, wenn ich jemandem begegne, den ich kenne? Und er mich auslacht? Wen kann ich in dieser Aufmachung überhaupt erschrecken? Ich sehe aus, als wäre ich von einer schlechten Halloween-Party geflüchtet.
Der Schleicher drehte sich um und ging zurück. Er versuchte nicht mehr, unheimlich auszusehen, indem er sich nach vorn beugte und hinkte. Aus Angst, gesehen zu werden, drehte er sich alle paar Sekunden um.
Er war bereitet, wegzulaufen und sich ein Versteck zu suchen, falls ein Auto vorbeikommen sollte.
Der Spaß ist vorbei, dachte Neal. Es wird Zeit, zurück in meine Wohnung zu gehen und auf Rasputin zu warten.
Nein, nein. Ich bleibe noch eine Weile beim Schleicher. Probiere, ob ich herausfinden kann, wo er wohnt.
Neal interessierte es zwar nicht, wo der Schleicher wohnte, aber es wäre ein guter Test. Wenn er es schaffte, als Reisender mit jemandem nach Hause zu gehen, würde er später leibhaftig dorthin zurückkehren können.
Es könnte sein, dass er das bei Rasputin tun musste.
Erst musste er den Dreckskerl natürlich finden …
Mal sehen, ob es funktioniert.
Der Schleicher erreichte das Ende der Gasse. Er sah in beide Richtungen. Es kamen keine Autos, also rannte er los und überquerte die Straße. Mit den Stiefeln zu rennen war anstrengend. Besonders, da er mit seinen nackten Füßen darin herumrutschte. Er konnte auch die Arme nicht richtig bewegen, weil er den Umhang zuhalten musste. Doch er schaffte es auf die andere Seite und lief in die Fortsetzung der Gasse.
Er erreichte ein unbeleuchtetes Stück, ließ den Umhang los und rannte mit ausgestreckten Armen weiter. Die Nachtluft wehte über seinen verschwitzten Körper. Der Umhang flatterte hinter ihm.
Hey, wie schön.
Beim nächsten Mal lasse ich die Stiefel stehen. Und laufe unbeschwert.
Er wollte den Hut absetzen, um auch am Kopf die frische Luft zu spüren. Doch gerade als er nach der Krempe griff, schwang ein paar Meter vor ihm ein Tor auf. Jemand trat in die Gasse.
Dem Schleicher fuhr der Schreck in die Glieder.
Er stieß einen Schrei aus.
Die Frau blieb abrupt vor dem Tor stehen und wandte den Kopf in seine Richtung. Hinter ihr fiel das eiserne Tor zu. Sie ließ ihren Müllbeutel fallen.
Der Schleicher war ängstlich und verwirrt.
Die Frau rührte sich nicht.
Der Schleicher beobachtete sie, während er weiter auf sie zulief.
Sie war Anfang zwanzig, mollig, trug eine Brille mit runden Gläsern, einen Topfschnitt und ein Tanktop, als wäre sie stolz auf ihre dicken Arme und die tiefe Schlucht zwischen den Brüsten. Sie hatte darüber hinaus
Weitere Kostenlose Bücher