Der Gast: Roman
weiße Shorts und weiße Mokassins an.
Was für ein Geschoss.
Toller Typ, dachte Neal.
Die Frau hielt sich die Hände vors Gesicht und kreischte.
Oh, Scheiße! Was hab ich bloß angerichtet?
Der Schleicher überlegte, stehen zu bleiben und sich zu entschuldigen. Doch plötzlich überkam ihn Schadenfreude.
Er rannte genau auf die Frau zu und streckte die Hände nach ihr aus.
»Nein!«, quietschte sie.
Sie wirbelte herum und griff nach dem Tor. Aber sie war zu langsam. Ehe sie es öffnen konnte, packte der Schleicher mit einer Hand ihre Schulter. Sie schrie noch einmal. Es klang schrill, markerschütternd.
»Ich bin der Schleicher«, sagte der Mann in dem unheimlichsten Tonfall, zu dem er imstande war. »Mein ist die Nacht. Du kannst mir nicht entrinnen.«
Als hätte die Angst sie aus dem Gleichgewicht gebracht, sank die Frau gegen das geschlossene Tor, rutschte daran herunter und blieb weinend in der Hocke sitzen.
Wow!
Der Schleicher trat zitternd einen Schritt zurück. Er konnte kaum glauben, dass er jemandem so etwas angetan hatte – eine Frau zu Tode erschreckt, sie in ein wimmerndes Häufchen Elend verwandelt hatte.
Er ekelte sich vor sich selbst.
Und war zugleich stolz.
Sie ist mir ausgeliefert! Warum mache ich nicht weiter?
In der Ferne, irgendwo hinter dem Tor, wurde eine Tür zugeschlagen. Der Schleicher hörte jemanden eine Treppe hinuntergehen.
Er wirbelte herum und rannte die Gasse entlang. Die Stiefel polterten über den Asphalt, der Umhang flatterte in der Luft. Voller Angst, von dem Mann oder Freund der Frau verfolgt zu werden, blickte er sich um.
Niemand da, bis jetzt.
Er sprang in den nächsten Carport, ein Dach auf Stelzen für ein halbes Dutzend Fahrzeuge. Alle Parkplätze waren belegt. Er quetschte sich in die dunkle enge Lücke zwischen zwei Autos.
Berühr sie nicht. Wenn der Alarm losgeht, bist du am Arsch.
Er ging voran und dann nach links. Zwischen den Scheinwerfern eines Mittelklassewagens ging er in die Hocke.
Hier finden sie mich nicht.
Nach einer Weile hatte er seine Atmung wieder unter Kontrolle. Doch er zitterte immer noch.
Hatte Angst, dass ihn jemand entdecken würde.
War erregt von dem Gedanken daran, wie er die Frau erschreckt hatte.
Er bemerkte, dass er mit den Zähnen klapperte.
Was für ein Kick!
»Ich bin der Schleicher. Ich schleiche durch die nächtlichen Gassen. Ich kriege euch, ihr Süßen. Ich sorge dafür, dass ihr um Hilfe schreit und euch in die Höschen pisst.«
Er fragte sich, ob die Frau sich in die Hose gemacht hatte.
Er stellte sich vor, wie sie in ihren weißen Shorts und dem Tanktop vor dem Tor hockte. Malte sich aus, wie er die Hand in ihren Schritt schob und die warme nasse Unterhose anfasste.
Bei diesem Gedanken bekam der Schleicher eine Erektion.
In seiner Fantasie packte er die Frau bei den Knöcheln und zog sie von dem Tor weg. Er riss die Shorts an der Taille auf, zerrte sie herunter, zog die tropfnasse Unterhose zur Seite und …
Genug von diesem kranken Spinner, dachte Neal. Ich bin draußen.
Einen Moment später war er frei.
Neal schwebte zwischen den Autos hervor und die Gasse entlang. Er warf einen Blick zu dem Tor. Die Frau war verschwunden. Es war überhaupt niemand dort, nur die heruntergefallene Mülltüte lag auf dem Pflaster.
Neal fragte sich, ob der Schleicher zurückkehren und nachsehen würde, ob sie eine Pfütze hinterlassen hatte.
Verdammter Irrer.
Aber nicht mein Irrer, dachte Neal.
Ohne jede Anstrengung raste er zum Ende der Gasse, überquerte die Straße und flog durch die nächste Gasse. Er glitt durch das Tor am Hintereingang seines Gebäudes, stieg zum Laubengang auf und bewegte sich direkt zu seiner Eingangstür.
Als er sich der Tür näherte, versuchte er abzubremsen.
Es ging nicht.
Er drang durch die geschlossene Tür und wollte anhalten, sich hinsetzen und auf Rasputin warten. Oder auch im Schwebezustand warten. Doch er konnte nicht einmal abbremsen. Er wurde durch Möbel und Mauern gezogen, als hätten sie nicht mehr Substanz als Luft, und plötzlich fand er sich draußen wieder, raste über den Pool hinweg zur Vorderseite des Gebäudes.
Was geht hier vor?
Es holt mich zurück, begriff er. Es lässt mich nicht hierbleiben.
Warten wir’s mal ab.
Obwohl er die Geschwindigkeit nicht verringern konnte, hatte er doch eine gewisse Kontrolle über die Richtung seiner Reise.
Neal suchte die Straßen unter sich ab und entdeckte einen Mann, der mit seinem Hund an der Leine über den Bürgersteig
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