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Der Gastprofessor

Der Gastprofessor

Titel: Der Gastprofessor Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Littell
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auf etwas zu gestatten, was er lieber nicht sehen möchte.
    »Golbasto mamaren evlame gurdilo shefin mully ully gue« , ruft ein Verbindungsbruder, den Lemuel auf dem Delta-Delta-Phi-Fest gesehen hat, einem befreundeten Marsmenschen zu, während die beiden an der Anzeigetafel vorbeigehen.
    »Tolgophonac« , ruft der andere zurück.
    »Tolgo phonac », bestätigt der erste Marsmensch unter schallendem Gelächter.
    Von dem Glockenspielturm am Waldrand kommt schrilles Geläute. Mit schwirrenden Flügeln flattern Dutzende von Tauben, die in der Turmspitze nisten, zum Himmel auf. Die Marsmenschen haben den Turm besetzt und spielen auf den Glocken, was im Backwater Sentinel als offizielle Hymne des Frühlingsfestes bezeichnet wurde, eine Melodie, die Lemuel verdächtig bekannt vorkommt. Plötzlich fällt ihm ein, wo er sie schon einmal gehört hat – Rain hat sie auf ihrem Horn geblasen. » Oh, when the saints go marching in« , singt Lemuel im Takt mit den Glocken vom Turm, »oh when the saints go marching in, da da da, da da da dada, when the saints go marching in. «
    Ein Stück weiter die Straße hinunter biegt unter großem Getöse eine Kavalkade von Kabrios, deren Hupen das Glockenspiel übertönen, von der Sycamore in die South Main Street ein. Die Autos, vollgepackt mit Marsmenschen, fahren in gemessener Prozession die doppelte weiße Linie in der Mitte der breiten Straße entlang. Ein Pickup mit dem Aufnahmeteam eines Fernsehsenders aus Rochester, das den Umzug von der Plattform aus filmt, fährt neben der Kolonne her. Von den Bürger steigen auf beiden Seiten der South Main feuern Marsmenschen zwei Flitzer an, die zwischen den Wagen der Kolonne dahintraben. Nur mit Joggingschuhen bekleidet, winken Dwayne, der Manager des E-Z Mart, und sein Herzblatt Shirley, die, wie sich zeigt, auch von Natur aus gewelltes Schamhaar hat, fröhlich der Zuschauermenge zu.
    Dwayne, dessen Hodensack und riesiger Penis flappen, erblickt Lemuel. »Lem, Babe, was läuft?«
    »Yo. Nichts Besonderes.« Lemuel tut so, als wäre es was ganz Alltägliches, mit einem Mann zu schwatzen, der nackt über die South Main Street joggt. »Hab gar nicht gewußt, daß du so auf Jogging stehst.«
    »Tja, Babe, ich mach auch T’ai chi. Ein gesunder Geist in einem gesunden Körper, das ist meine Philosophie.«
    »War auch meine«, murmelt Lemuel, »wenn ich meine Ausbildungsvorschrift der Royal Canadian Air Force noch hätte.«
    »Wir sehn uns nachher noch«, ruft Dwayne über die Schulter zurück.
    »Rain hat uns nämlich wieder zum Abendessen eingeladen«, schreit Shirley mit ihrer hohen Stimme.
    Der Kameramann ruft ihr von der Plattform des Pickups aus zu: »Wie wär’s mit einem lauten Hallo für die Lieben daheim?«
    Shirley bekommt einen Lachanfall, bedeckt mit der einen Hand ihre kleinen spitzen Brüste, dreht sich um und winkt mit der freien Hand zur Fernsehkamera hin. Dann ruft sie noch Lemuel zu: »Soll ich Ihnen nach dem Essen beibringen, wie man seinen Namen rückwärts schreibt?«
    »Wow«, schreit Dwayne in die Fernsehkamera und hebt die Faust.
    Ein Echo kommt von den Marsmenschen in den Kabrios. »Wooow«
    Lemuel lenkt seine Schritte in den Studenten-Schnellimbiß. Die Kellnerin, die auf den Namen Molly hört, schaut von ihrem Comic-Heft auf. »Na, wenn das nicht Mistervonjedemeins ist«, sagt sie. »Bin gleich bei Ihnen.«
    Lemuel entdeckt in einer Nische im Hintergrund den Rebbe und läßt sich auf die Bank ihm gegenüber gleiten. Der Rebbe, der aussieht wie eine Leiche auf Urlaub, schnitzt mit einem kleinen Taschenmesser TlTfl in die Tischplatte.
    »Was schreiben Sie denn da?« will Lemuel wissen.
    »Yod, heh, vav, heh. Was sich Jahwe ausspricht.« Der Rebbe richtet seine Glotzaugen himmelwärts und fixiert den Deckenventilator direkt über ihm, als wollte er Gott herausfordern, ihn zu erschlagen, weil er seinen Namen laut ausgesprochen hat.
    Molly stellt Lemuel zwei Tassen Kaffee hin. »Einen mit, einen ohne«, sagt sie mit unbewegter Miene. (Sie haben es zu ihrem kleinen Scherz unter Freunden gemacht.) Sie legt den Kopf schief, um das Schnitzwerk des Rebbes genauer zu betrachten. »Ich hab ja nichts dagegen, wenn die Leute Initialen in meine Tische ritzen, das machen sie alle, das ist mehr oder weniger Tradition«, sagt sie, »aber in Anbetracht der Tatsache, daß wir in den USA leben, finde ich, es sollte wenigstens Englisch sein.«
    »Würden Sie für den Namen Gottes nicht vielleicht eine Ausnahme machen?«
    »Jesus, geboren in

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