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Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition)

Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Ziebula
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Heiligenberg. Bedrückende Stille lag über vielen Teilen der Stadt seit der Messe am Vormittag. Die Heidelberger kämpften mit ihren Qualen, pflegten ihre Wunden und betrauerten ihre Toten; und die Eroberer sichteten ihre Beute oder schliefen ihren Rausch aus. Auf der anderen Seite der Hauptstraße, zum Neckar hin, sah man im Mondlicht die letzten dünnen Rauchfahnen aus den Ruinen der niedergebrannten Häuser steigen. Ein rachsüchtiger Bürger habe das Feuer gelegt, erzählte man sich in der Stadt, nicht die Krabaten.
    Im Haus des toten Pferdeknechtes standen die Fenster offen, und die milde Abendbrise wehte Musik, Tanzlärm und Gesang in den Herrengarten hinaus. Davids Gauklerfamilie feierte mit denKrabaten – die einen Tillys Sieg und reiche Beute, die anderen Rübelraps Befreiung und dass sie noch am Leben waren. Eine ganze kroatische Reiterkompanie hatte sich in der Turnierhalle und den Wohnhäusern dahinter einquartiert. Mit einigen hatte Stephan sich angefreundet. Vor allem mit dem Hauptmann. Der hatte die Krabaten am Tag des Sturms zu Pferd durch den Neckar nach Heidelberg herübergeführt.
    An einer der Linden am Rande des Herrengartens schwankten drei Leichen im Wind: die beiden Schotten und der Holländer. Bedauernswerte Männer. Stephan hatte sie den Kroaten gleich am Freitagabend ausgeliefert; da lag David schon mit Bela in jenem verlassenen Hühnerstall am anderen Ende der Stadt. Lauretta hatte ihm berichtet, was nach der Eroberung der Stadt geschehen war. Stephan und die Landgräfin hatten demnach die Krabaten als Befreier im Herrengarten begrüßt – überschwänglich und natürlich auf Kroatisch. Die Geschichten, die sie dem krabatischen Reiterhauptmann auftischten, hatten sie zuvor mit der Zwergin abgesprochen: Kurpfälzische Soldaten hätten sie abholen und in den Kerker werfen wollen, wegen Verrats und weil sie sich weigerten, dem katholischen Glauben abzuschwören und auf der Stadtmauer die Belagerer mit heißem Öl zu begießen. Die eine Hälfte der Soldaten hätten sie totgeschlagen, die andere Hälfte sollten die Krabaten doch bitte schön als Willkommensgeschenk betrachten.
    Das waren die drei, die jetzt im Abendwind an der Linde schaukelten.
    Den Franz Hacker gaben Stephan und Marianne als Fahnenflüchtigen aus, der es im Herzen mit Kaiser und Papst hielt und den sie – streng katholische Schausteller und Dentisten, die sie nun einmal waren – vor dem kurpfälzischen Profos und seinen Steckenknechten versteckten. Im Gegenzug schwor Hacker dem Krabatenhauptmann, dass Rübelrap ein frommer Katholik und heimlicher Priester sei, den die Kurpfälzer beim Messelesen ertappt und dann als Dieb verleumdet hätten.
    David vermutete, dass die Geschichte auf Kroatisch doppelt überzeugend geklungen hatte, zumal aus Stephans Mund. Jedenfalls ließ der Krabatenhauptmann Lauretta mit einer ganzen Rotte Reiter zum Brückentor eskortieren und Rübelrap aus dem Kerker holen.
    Vor einem der Fenster blieb der junge Gaukler stehen und blickte ins Haus. Rübelrap, seine zerlumpten Kleider durch einen Wintermantel dürftig verhüllt, hockte auf dem Boden neben einer leergegessenen Schüssel; die Zwergin lag wie eine dösende Katze auf seinen Schenkeln. Der Anblick rührte David, und seine bleichen und erschöpften Züge glätteten sich zu einem kurzen Lächeln.
    Der Bauchredner schlug sein Brummeisen, Marianne die Trommel, Stephan und ein kroatischer Feldwebel fiedelten auf Violinen, und ein halbes Dutzend Krabaten bliesen auf Flöten oder irgendwelchen Blechblasinstrumenten, die stumpf und verbeult aussahen.
    Stephans neuer Freund, der kahlköpfige Reiterhauptmann – er nannte sich »Capitän Isolano«, doch Stephan durfte Lodovico zu ihm sagen –, tanzte mit Franz Hacker auf dem Tisch. Er überragte den Fähnrich um gut zwei Köpfe, und die mit braunem Bärenpelz gesäumten Schöße seines roten Waffenrocks flogen dem obersten Krabaten nur so um die Beine.
    Andere Krabaten, die meisten nur in schmutzigen, ehemals weißen Hemden und Kniehosen, tobten um den Tisch herum – allein, zu zweit oder mit Frauen, die David noch nie gesehen hatte. Auch den Dachshund und den Affen entdeckte der junge Gaukler zwischen den Tanzenden.
    Manchmal stieß Rübelrap tief aus dem Bauch einen der wenigen Fetzen Kroatisch aus, die er im Lauf der Jahre von Stephan gelernt hatte, Flüche oder Zoten zumeist. Die Krabaten grölten dann jedes Mal vor Vergnügen. Ein Priester, der fluchte und Zoten riss, und das noch in ihrer

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