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Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition)

Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Ziebula
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nickte. »Übermorgen zieht van der Merven mit seiner Garnison ab. Es wird Tumulte geben, heißt es, denn Tillys Leute hassen die kurpfälzischen Soldaten, weil sie so lange widerstanden haben. Uns soll es recht sein, wenn es Tumult gibt – wir werden ihn nutzen, um uns selbst davonzumachen. Und zwar mit dir auf dem Wagen.«
    »Aber wenn sie mich finden …« Sie hob den Kopf. Groß und dunkel sahen ihre Augen aus, ihre heiße Hand schloss sich um seinen Unterarm. »Sie werden doch den Wagen durchsuchen am Tor …«
    »Lass das meine Sorge sein.« Die Sorge bedrückte ihn weit mehr, als er sich anmerken ließ. Das größte Hindernis, vor das David sich gestellt sah, hatte einen Namen: Bela.
    Er wollte ihr ein Stück geschälten Apfel in den Mund stecken, wieder wehrte sie seine Hand ab. David begriff, dass jede Berührung sie schreckte. »Du musst aber essen.« Sie nahm ihm den Apfelschnitz aus der Hand und aß. »Marianne wird dich noch einmal waschen, bevor sie schlafen geht. Und keine Angst – Bela bewacht dich, und vor der Kammertür liegt ein großer Englischer Hund.«
    Sie nickte, flüsterte etwas, das nach einem Dank klang. David stand auf und raunte Bela ein paar beruhigende Worte ins Ohr. Ganz klamm wurde ihm zumute, wenn er daran dachte, dass derbayrische Arkebusier in jener Schlafkammer den Bären gesehen hatte. Was, wenn er wieder zu sich gekommen war und erzählte, wer ihn angegriffen hatte? Ausgeschlossen, sich mit Bela noch einmal in der Stadt zu zeigen! Der Tanzbär fiel zu sehr auf; er würde die Häscher ja auf Susannas Fährte locken.
    Grübelnd erhob er sich. »Warte noch«, flüsterte sie hinter ihm. »Halt noch einmal die Leuchte über mich.«
    Er tat es, und als das Licht auf sie fiel, stützte sie sich auf dem Ellenbogen auf, schob die Pferdedecke zur Seite, mit der Marianne sie zugedeckt hatte, und zog den Brustteil ihres Kleides ein Stück von ihrem Busen weg, sodass sie den Stoff betrachten konnte. Ein schöner Stoff, David nahm ihn zum ersten Mal bewusst wahr: nachtblau und kunstvoll mit Blumenornamenten in Rot und einem hellen Blau bestickt.
    Sie hob den Blick und wirkte noch verstörter als zuvor schon. »Warum habe ich das an?«
    David musste ein paarmal schlucken, doch er hielt ihrem Blick stand. »Sie haben dir dein Kleid zerrissen«, flüsterte er dann. »Da habe ich dir das hier angezogen. Erinnerst du dich nicht?«
    Sie errötete und schüttelte den Kopf. »Wo hast du das her?«
    Das Bild des morgendlichen Hofes schoss ihm durch den Kopf, die nackten Frauenleiber, das Blut überall. »Gefunden«, sagte er.
    David stand auf, wandte sich zur Tür und ließ Bär und Frau allein. Der Englische Hund legte sich vor die Kammer, der Rabe krächzte müde. Hinter der Tür ins Haus wurde noch immer musiziert und getanzt.
    Er tastete sich durch den Stall, trat in die Nacht hinaus und spähte nach Norden zu den Brandruinen der Vorstadt. Dort gab es nichts mehr zu holen, warum also sollten dort noch bayrische Soldaten patrouillieren? Die Neckarwiesen und der Fluss lagen gut erreichbar hinter den Ruinen. Wenn er nun Bela im Schutz der Dunkelheit zum Neckar führte? Doch wer sollte den Tanzbären ans andere Ufer bringen? Bela hörte vor allem auf ihn, undkonnte überhaupt jemand schwimmen außer Stephan und ihm? Und er selbst, David, wollte unter keinen Umständen von Susannas Seite weichen.
    Das Herz schlug ihm so schwer in der Brust, als wäre es aus Gusseisen. Er huschte über den Turnierplatz und kehrte zu Cura zurück. Die schlief, wachte auch nicht auf, als er sie schüttelte; und das Herz wurde ihm noch schwerer. Er stellte die Öllampe auf die Mauer des Verschlages, kniete vor ihr und zog den Dolch, den er dem Holländer abgenommen hatte, als er ihn zwei Wochen zuvor gefesselt hatte. Die Klinge hatte er sorgfältig gewetzt.
    Wenige in Heidelberg wussten, dass die Gaukler zwei Bären hatten. Die alte Cura trat ja nie auf der Bühne auf, hatte die meiste Zeit unter dem Zeugwagen gedöst. Und wer sie dennoch gesehen hatte, verwechselte sie leicht mit ihrem Sohn Bela.
    Lange kniete David vor der schlafenden Bärin. Der Anblick des ohnmächtigen Bandelierreiters mit dem zerfleischten Rücken stand ihm vor Augen. Den zu töten hatte er nicht über sich gebracht. Dabei hatte dieser grobschlächtige Kerl ganz gewiss niemals einen kleinen Knaben vor dem sicheren Tod gerettet. So wie Cura.
    Er kniete vor ihr, bis der Kloß im Hals so dick war, dass er ihn gar nicht mehr zu schlucken vermochte; bis

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