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Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition)

Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Ziebula
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schaffen das, ich verspreche es euch, wir schaffen das ganz gewiss …«
    Eine schwarze Kutsche hielt unweit des Kirchenportals wenige Schritte vor ihm, Diener halfen einem rotgesichtigen Offizier undseiner jungen, elegant herausgeputzten Frau aus dem Wagen. Deren Blick fiel zuerst auf den Bären und dann auf den betrunkenen Soldaten – an dem großen Blutfleck auf dem Brustteil seines Wams blieb er hängen. Ekel und Unwillen huschte über das hübsche Gesicht.
    Davids Schritt stockte kurz. Sie war es! Er erkannte sie sofort: die blonde Edelfrau, die ihn bei Greenleys Auftritt vor einem Jahr an der Treppe bei der Hofkanzlei verhöhnt hatte. Er gönnte ihr den Anblick des hässlichen Flecks von Herzen, hätte ihn allen Kirchgängern gegönnt und seine blutige Geschichte dazu. Er ging langsamer, damit sie ganz genau hingucken konnte, ja, er wünschte, sie würde noch lange an den Blutfleck denken, wenigstens so lange, bis nach dem Höhepunkt der Messe ihr irgendein Pfaffe den Leib des Herrn ins hübsche Maul schieben würde.
    Er sah zu ihr hin, mimte den tapferen Versuch eines aufrechten Ganges, rülpste kunstvoll und wankte dann heftiger als zuvor. Die edle Grazie starrte längst über die Köpfe der Leute hinweg, die sie begafften, und schritt am Arm ihres Kavaliers zur Kirchenpforte.
    Die Gräfin hat recht, dachte David, das Leben ist ein Spiel. »Und die Welt«, so fügte er murmelnd hinzu, »die Welt ist eine Bühne voller prächtiger und schäbiger Kulissen.«

4
    S pät am gleichen Abend schloss David eine niedrige Tür hinter sich und hob eine Öllampe. Links hinten im verlassenen Pferdestall klirrte eine Kette und grunzte ein Tier. Die Bärin. »Da bin ich wieder, altes Mädchen.« David trug den Fressnapf zu ihr. Cura hob den Schädel, blinzelte in den Lichtschein, schnaufte und brummte.
    Es klang griesgrämig und ein wenig vorwurfsvoll, und das nicht ohne Grund: Gleich nach seiner Rückkehr hatte David sie von den anderen Tieren getrennt und hierher in die zerfallene Stallung am Südrand des Turnierplatzes gebracht. Ohne Futter und Wasser und ganz allein lag sie seitdem in einem gemauerten Verschlag des Stalles.
    Sie schnüffelte, witterte den Honig und leckte Davids Hand. Er stellte ihr den vollen Blechnapf hin, und sofort machte sie sich darüber her und verschlang schmatzend, was David ihr mitgebracht hatte – Honig vermischt mit getrockneten Pflaumen, kroatischem Schlafmohn und Branntwein aus Florenz. Cura mochte Süßes – je älter sie wurde, desto lieber –, und David nutzte das aus an diesem Abend: Der Geschmack des Honigs und der Pflaumen überdeckte den des Branntweins und Mohns.
    David kam sich wie ein Betrüger vor. Mit gekreuzten Beinen setzte er sich neben sie und kraulte ihr das Kopffell. »Lass es dir schmecken, liebe alte Cura.« Den Honig hatte er am Nachmittag in einem zerbrochen Krug in einem Weinkeller an der Nordmauer gefunden. Der Mohn stammte aus den Vorräten der Landgräfin, die damit ihre Schlaflosigkeit bekämpfte. Den Branntwein hatte Rübelrap zwei Jahre zuvor in Mailand gestohlen.
    »Lass es dir ein letztes Mal schmecken, geliebtes altes Mädchen.«Das Herz wurde ihm schwer, wie er ihr so zusah beim Fressen und ihrem Schmatzen lauschte. Er lehnte gegen ihre Schulter. Bilder drängten sich ihm auf, Bilder, die Stephan im Lauf der Jahre in ihn eingepflanzt hatte: ein Wald, eine Bärin, eine junge Frau mit einem kaum entwöhnten Kleinkind, ein mit Honig und Schnaps getränkter Sauglumpen, der Eingang eines Fuchsbaus. So lebendig waren die Bilder in ihm, so oft hatte Stephan die Geschichte erzählt, dass David glaubte, sich ganz genau erinnern zu können.
    Er richtete sich auf den Knien auf, umarmte Cura und drückte sich an sie. »Danke für alles, und schlaf gut.« Die alte Bärin schüttelte sich unwillig, wollte weiter nichts als ungestört fressen. David stand auf und ging hinaus. Ein Kloß schwoll ihm im Hals, er griff nach dem Mutterzopf in seiner Hosentasche. Das alte Pergament mit seinem verblichenen Namenszug – David Villacher – hatte er ins Futter seines Jean-Potage-Mantels genäht.
    Durch die anbrechende Nacht lief er über den Turnierplatz. Die anderen wussten, was er plante. Und niemand hatte Einwände erhoben, nicht einmal die Landgräfin. Wie sollte sie auch? Curas Leben gehörte ja ihm, seit Marianne es an ihn verloren hatte. Es war übrigens die letzte Wette gewesen, auf die seine Pflegemutter sich eingelassen hatte.
    Der Mond ging auf über dem

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