Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition)
Papst Urban ihm schreibt: ›Heil und apostolischen Segen dir! Wer auf diese Weise den Krieg geschickt zu führen weiß, gelangt zu solchen Siegen, wie du sie über die Treulosigkeit der Ketzer gewöhnlich erringest. Auf denn, geliebter Sohn, zur Vertilgung der Ketzer!‹« Er ließ die Zeitung sinken. »Ist das zu fassen?«
Seufzen und bitteres Lachen wurden laut rund um den Tisch. »Wohl der Welt, die solch frommen Führer hat!«, sagte der Prinzipal. »In der werden die Waffenschmieden nicht kalt, die Kaufleute nicht arm und die Totengräber niemals arbeitslos werden.«
»Wie viele sind auf Seiten der Papisten gefallen?«, wollte Maria von Bernstadt wissen. Ihre arg belegte Stimme machte Susanna stutzig.
»Man weiß es nicht sicher«, antwortete David. »Die Angaben schwanken zwischen zweihundert und zweitausend.«
»Dummbeutel und Mörderpack!«, zischte Susanna. »Die Papisten werden nicht ruhen, bis das ganze Reich brennt!«
»Das werden wir uns nicht anschauen, nicht wahr, verehrteMrs. Villacher?«, tönte Greenley. »Wir gehen zurück nach England. Vielleicht schon im nächsten Jahr.«
»Mir ist nicht wohl, man entschuldige mich.« Maria von Bernstadt stand auf und verließ den Raum.
»Was hat sie?«, fragte Helena.
»Ihr Gatte, der Prinz von Bernstadt, gehört zu Tillys höchsten Offizieren«, sagte der Prinzipal. »Wenn man um das Leben seines Liebsten fürchten muss, schmeckt einem die leckerste sächsische Pfifferlingssuppe nicht mehr.« Susanna fiel auf, wie aufmerksam Helena und ihr Mann David beobachteten. Der widmete sich wieder seiner Suppe und starrte angestrengt in den Teller.
»Nun, sie braucht sich nicht zu sorgen, meine ich.« Aaron zuckte gleichgültig mit den Schultern. »Meistens trifft es doch immer die Falschen – das einfache Fußvolk und die kleinen Landsknechte.«
Am nächsten Tag ritt ein Bote mit einem Brief in den Schlosshof. Nur der Prinzessin von Bernstadt persönlich durfte er den überreichen, also mussten zwei Diener auf die Suche nach ihr gehen. Die fanden sie am Elbufer sitzend und gaben ihr Bescheid. Später hieß es, der Bote sei aus Hamburg an der Ostseeküste entlang und über Berlin herunter nach Dresden geritten, und der Brief stamme von dem Grafen, bei dessen Hochzeit die Komödianten im vergangenen Jahr gespielt hatten.
Zwei Tage darauf jagten gleich drei berittene Boten über die Elbbrücke – Susanna und David lehnten gerade gegen die Brüstung, hielten ihren Sohn in ihrer Mitte und blickten einem Schiff hinterher. Zurück im Schlosshof sahen sie die Pferde der drei im Schlossgarten weiden, die Reiter gingen unruhig auf der Schlosstreppe vor dem Portal hin und her. Einer von ihnen, ein stämmiger, kleinwüchsiger Mann mit hellem, fransigem Haar, kam Susanna seltsam bekannt vor.
Einige Diener und Wachen öffneten das Portal. Maria trat heraus, begrüßte die Reiter und nahm ein Schreiben entgegen, das einer ihr reichte. Susanna kam es vor, als würde sie erstarren,während sie das Siegel betrachtete. Sie winkte die drei Reiter ins Schloss hinein.
David stand wie festgewachsen und spähte noch zum Schlossportal hinüber, als es sich längst hinter der Prinzessin und den Boten geschlossen hatte. Seine Miene glättete sich zu einem erstaunten Lachen. »Ist das denn zu glauben?«, rief er schließlich. »Der Kleine ist doch der Franz Hacker gewesen!«
Boten von Tilly mit einer persönlichen Botschaft an die Prinzessin, so hieß es später. Eine ungewöhnliche Botschaft vermutlich, denn der Kurfürst und seine Gattin empfingen Maria von Bernstadt am frühen Abend in ihren Privatgemächern. Susanna beobachtete zwei Kammerdiener, wie sie die Prinzessin über die breite Treppe hinauf ins Obergeschoss führten. Maria war ganz in Schwarz gekleidet.
*
Am nächsten Nachmittag blieb Marias Stammplatz in der ersten Reihe des Riesensaals leer. Dafür entdeckte Susanna die drei fremden Reiter inmitten der Zuschauer. Sie hatten ihren Spaß an der Vorstellung. Die Komödianten gaben die Tragikkomödie vom Meisterdieb, ein eher lustiges Stück, auch wenn am Ende durch eine Hinterlist des Diebes nicht er selbst, sondern sein Erzfeind den Kopf auf den Hackblock des Henkers legen musste. Aaron spielte den Dieb, David den Pickelhering.
Am Abend brachte David Tillys Reiter zum Essen mit an die Tafel. Man kenne sich aus Heidelberg, erklärte er, als er den Leutnant Franz Hacker vorstellte. »Ich bin Oberkomödiant Christopher Greenley«, stellte der Prinzipal sich vor. »Und
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