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Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition)

Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Ziebula
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noch wenig, sah aber zufriedener aus.
    Charles Rowland kehrte Ende August aus England zurück. Um die Zeit zog auch der kurfürstliche Hof wieder ins Schloss zu Dresden ein. Zur Begrüßung spielten die Komödianten die Tragödie jenes englischen Dichters, den der Prinzipal nach seinem Liebling Shakespeare am meisten schätzte. Marlowe hieß er und seine Tragödie Der Jude von Malta . Die Fürstin zeigte sich sehr glücklich, der Kurfürst nickte zufrieden. Sein Bauch, so kam es Susanna vor, wölbte sich noch praller unter dem schwarzen, goldbetressten Samtmantel.
    Den September über traten sie ungefähr zweimal die Woche auf. David spielte noch leidenschaftlicher, als Susanna ihn im Juli schon erlebt hatte. Sein Pickelhering kam ihr beißender vor in seinem Spott, sein Romeo verzweifelter in seiner Ohnmacht und seine Ehebrecherin verworfener in ihrer Wollust und Verlogenheit. Das Publikum konnte nicht genug von ihm kriegen.
    Obwohl der Prinzipal seine Komödianten in diesem Monat nur ein einziges wirklich neues Stück auf die Bühne bringen ließ, konnten sie doch niemals über Zuschauermangel klagen. Viele Dresdner und etliche Edelleute aus dem Umland sahen sich die schon vertrauten Komödien und Tragödien auch gern ein zweites und drittes Mal an.
    Für Ende September setzte Greenley den Hamlet aufs Programm, und Susanna hörte, wie David ihn anbettelte, die Rolle des dänischen Prinzen spielen zu dürfen. »Das ist meine oder John Taylors Rolle«, erklärte Greenley, »und wir spielen sie immer noch gut genug. Gib du den Pickelhering, damit machst du die Dresdner glücklich.«
    David gab zwar Ruhe, wirkte aber beleidigt; ein Zug, den Susanna in letzter Zeit öfter an ihm beobachtet hatte. Was gingin ihm vor? Sie versuchte mit ihm zu sprechen, doch er wiegelte ab und blieb verschlossen. Immer öfter musste sie nun an Helenas Worte denken – dass Davids Seele leide und dass die Prinzessin ihm begehrliche Blicke zuwerfe. Sie beobachtete Maria von Bernstadt aufmerksamer als sonst. Herrschte nicht tatsächlich eine ungewöhnliche Vertrautheit zwischen der Prinzessin und David? Waren ihre Blicke wirklich nur bewundernde oder besorgte Blicke?
    Was denn sonst?, antwortete Susanna im Stillen sich selbst. Das Misstrauen lässt dich bald noch Gespenster sehen .
    David ertappte sie mindestens einmal am Tag dabei, wie er gedankenverloren aus dem Fenster, in seinen leeren Becher oder einfach auf den Boden starrte; manchmal sogar, wenn er mit John spielte. Er trank auch mehr Wein als vor seiner Krankheit, und wenn die Vorstellungen um sechs Uhr abends vorbei waren, blieb er lange weg und kam oft erst gegen Mitternacht zu ihr.
    Taten ihm die vielen Vorstellungen nicht gut? Sehnte er sich etwa nach Stephan und den Gauklern zurück? Im Schlaf rief er manchmal ihre Namen; im Schlaf rief er auch nach Bela und seiner Mutter.
    Susanna bekam es mit der Angst. Sie nahm sich vor, dem Prinzipal ihr Herz auszuschütten.
    Der brachte Mitte September eine Zeitung mit vom Dresdner Markt. Die Komödianten saßen gerade beim Mittagsmahl, als er eintrat und mit den Blättern wedelte. »Der Krieg rückt näher, meine Freunde! Lange können wir nicht mehr bleiben im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation.« Wie immer sprach er den langen Namen mit spöttischem Unterton aus und lauter als den Rest des Satzes. Greenley nahm Platz, Helena schöpfte ihm Pilzsuppe in den Teller. Auch Maria von Bernstadt saß mit ihnen am Tisch.
    »Tilly hat dem Dänenkönig eine kräftige Tracht Prügel verabreicht«, sagte der Prinzipal. »Mit Hilfe von kaiserlichen TruppenWallensteins.« Susanna beobachtete, wie Marias blonde Brauen nach oben zuckten. »Die Evangelischen hierzulande müssen schon arge Stümper sein, was das Kriegshandwerk betrifft – Mansfeld lässt sich von Wallenstein wie ein Hund durchs Reich jagen, der Halberstädter ist gescheitert, der von Sachsen Weimar ist gescheitert und nun auch noch der Däne. Wo soll das hinführen?« Greenley machte sich über seine Suppe her.
    David griff nach der Zeitung, der Straßburger Relation , überflog ein paar Abschnitte und sagte dann: »Viertausend tote und dreitausend gefangene Dänen, und König Christian will noch immer nicht aufgeben.« Aus den Augenwinkeln beobachtete Susanna, wie Maria den Löffel in den halbvollen Teller legte und aufmerksam zuhörte.
    »Der alte Tilly kriegt Glückwunschschreiben aus aller Welt«, fuhr David fort. »Aus Wien, aus Madrid, sogar aus Rom. Hier, hört euch an, was

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