Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition)
mein König bezahlt dem Dänen etliche Regimenter, damit euch und dem Tilly die Arbeit nicht knapp wird.« Er hob seinen Weinkelch. »Reizend, endlich einmal mit dem Feind zu speisen.« Die drei Boten machten betretene Gesichter, doch nicht lange, denn die Komödiantenbrachen in schallendes Gelächter aus. Da grinsten auch sie, und die Erleichterung stand ihnen in die Gesichter geschrieben.
Jeder der drei aß für zwei und trank für vier. Dabei erzählten sie von ihrem Ritt an der Elbe entlang nach Dresden, von der Kriegsangst im Land, von Verwüstung und Hunger, von der Schlacht bei Lutter am Barenberg schließlich. Der schwäbische Leutnant, Franz Hacker, aß, trank und sprach am schnellsten und erzählte am meisten.
Je länger Susanna den kleinen, stämmigen Mann betrachtete, desto deutlicher kehrte die Erinnerung an ihn zurück. In Heidelberg hatte sie ihn dann und wann gesehen, meist in Begleitung von Offizieren der Schlosswache. Und ja – auch an ihrem letzten Tag in der Stadt, als Marianne und Stephan sie in den Wagen führten und ins feuchte Bärenfell wickelten, stand er unter den Gauklern.
Sein an sich schon rötliches Gesicht glühte, während er von der Schlacht am Barenberg erzählte. Ein hartes Stück Arbeit sei es gewesen, dem Dänenkönig aufs Maul zu hauen, man hatte ja nicht ahnen können, mit welcher Entschlossenheit dessen Männer sich wehren würden, und eine Stunde lang habe der Ausgang der Schlacht wahrhaftig auf Messers Schneide gestanden. Was nicht an ihnen, an Tillys Leuten, gelegen habe – Gott bewahre! –, sondern an den kaiserlichen Reitern, die Wallenstein zur Unterstützung geschickt habe. Einer von denen nämlich, verriet Hacker mit Flüsterstimme, habe Verrat geübt. »Sodass leider viele bayrische Reiter fielen, auch etliche Hoheiten. Der Obrist Graf von Herzenburg zum Beispiel und der durchlauchtigste Prinz von Bernstadt!«
Endlich hatte einer ausgesprochen, was alle längst ahnten, und Hacker seufzte sehr tief. »Leider, leider mussten wir der bedauernswerten Prinzessin die traurige Nachricht bringen. Leider, leider mussten wir sie vom ehrenvollen Ableben ihres durchlauchtigsten Gatten in Kenntnis setzen.«
Die Komödianten, immer begierig, neue Geschichten zu hören, schenkten Hacker und seinen beiden Gefährten Wein nach und bedrängten sie mit Fragen. Vor allem über den Verrat, seinen Hergang, seine Gründe und die Beteiligten wollten sie mehr erfahren.
Namen dürfe er nicht nennen, erklärte der Leutnant, und die anderen beiden nickten beifällig und mit bereits weinschweren Köpfen. Doch Hergang und Ausgang des Verrates schilderte der kleine Mann dafür in aller Ausführlichkeit. In seinem Abscheu gegenüber dem Verräter und seinen Opfern rutschte ihm dann doch ein Name heraus, als er nämlich beklagte, dass der edle und tapfere Graf von Herzenburg durch den Frevel seines eigenen Sohnes zu Tode gekommen sei.
»Der junge von Herzenburg war der Verräter?«, platzte es da aus Greenley heraus. »Unglaublich! Ist er nicht zugleich der Vetter unserer verehrten Prinzessin?«
Susanna sah es dem Hacker an, wie gern er sich die Zunge abgebissen hätte. Doch nun war es zu spät, also leerte er lieber seinen Becher, ließ sich nachschenken und flehte seine Zuhörer an, den Namen nur ja für sich zu behalten. Allein ihrer Seriosität wegen habe er ihnen das Geheimnis überhaupt anvertraut, und weil sie gewissermaßen ja neutral seien, auch wenn ihr König Jakob dem Dänenkönig Landsknechte bezahlte. Schließlich forderte er sie mit schwerer Zunge auf zu schwören, dass sie den Namen des Verräters mit ins Grab nehmen wollten.
Greenley legte als Erster die Rechte aufs Herz. »Ich schwöre sogar, dass ich ihn morgen schon wieder vergessen haben werde!«, erklärte er feierlich. Alle Komödianten schworen mit wichtigen Mienen und lachenden Augen und fanden den Abend ungewöhnlich unterhaltsam. Nur David wirkte seltsam still und geistesabwesend. Als Susanna ihm besorgt die Hand auf die Rechte legte, zuckte er erst zusammen, dann lächelte er. Alles in bester Ordnung , schien er sagen zu wollen.
Susanna ging zum Stillen ins Nebenzimmer. Als sie zurückkehrte, döste die Katze auf Davids Stuhl – sie war wieder gesund geworden –, und der kleine Leutnant ließ sich Einzelheiten über die Bestrafung des Verräters entlocken. Im Augenblick könne man ihn gar nicht bestrafen, weil er nämlich geflüchtet sei. Doch das Urteil stehe bereits fest: Einziehung aller Güter, Rückfall
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