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Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition)

Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Ziebula
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Mutter lag.
    Ihr Mörder dagegen sprach selten mit ihm. Obwohl er noch lebte. Dem Rittmeister stieg Bitterkeit auf die Zunge. Dafür schrieb der Herr Graf lange Briefe. Und verfügte, dass sein Sohn zu heiraten habe.
    Sie erreichten die Vortreppe. Maximilian stolperte schier über einen Grasbüschel, so tief hatte das halbtote Krötengesicht des Obristen ihn auf ein Gedankenkarussell gestoßen, das er gewöhnlich lieber mied. Oder nein – der Geist auf der Bühne hatte es getan. Oder die Stimme des Pickelherings?
    Seine Cousine hielt ihn fest, kicherte, zeigte auf einen Bären und dann auf einen Kerl, der mit vier Bällen jonglierte und allerhand Verrenkungen machte. Sie rümpfte die hübsche Nase und stimmte ein Gelächter an, das irgendwie verächtlich klang.
    Der Kerl war dünn und nicht besonders groß. Er trug schmutzige, ehemals rote Stiefel und steckte in abgewetzten grünen Hosen und einer roten Jacke. Auf seinem Lockenschopf saß ein mit Hahnenfedern gespickter, durchaus lächerlicher Hut. Der Rittmeister runzelte die Stirn, denn der blöde Kerl dachte nicht daran, sich und sein Bärenvieh aus dem Weg zu räumen.
    »Wie galant Er sich verbeugen kann, unser Hanswurst« , rief Maria neben ihm. »Und wie geschickt Er seine Bälle fliegen lässt. Und wie entsetzlich Er nach Bärendreck stinkt.«
    In diesem Augenblick purzelten dem Kerl alle vier Bälle zu Boden, und er bequemte sich, endlich von den Herrschaften Notiz zu nehmen, denen er im Weg stand. Und im gleichen Moment sah Maximilian von Herzenburg das Mädchen, das da zwei Armlängen entfernt auf der unteren Treppenstufe stand.
    »Hat unser Hanswurst auch gut achtgegeben?« Maria von Bernstadt deutete hinter sich auf die Bühne. »Dann wird Er wohl begriffen haben, was wahre Kunst ist! Und nun gehe Er uns endlich aus dem Weg!«
    Der Kerl wich zur Seite, zog auch sein großes Pelztier vom Kiesweg, und Maria schritt an ihm vorbei. Der Rittmeister aber stand wie festgewachsen, denn das Mädchen dort auf der untersten Stufe der Vortreppe hatte schwarze Locken und dunkelblaue Augen. Seine Schönheit und stolze Haltung verschlugen ihm den Atem.
    Obwohl Maximilian von Herzenburg der jungen Frau seinen blendendsten Charme ins Gesicht lächelte, dachte sie gar nicht daran, sein Lächeln zu erwidern.
    Wäre Hildegard heute nicht ähnlich alt, wenn sie noch lebte? Und würde sie nicht ganz ähnlich aussehen? Der Rittmeister ließ sein Lächeln noch breiter aufblitzen, deutete sogar eine Verneigung an. Haltung und Miene der jungen Frau veränderten sich schlagartig: Harsche Abweisung schlug ihm entgegen. Dann drehte die Schöne sich um und verschwand in der Menge.
    Das Lächeln gefror Maximilian auf den Lippen. Missmutig trottete er an Marias Seite und im Gefolge seines Obristen aus dem Kanzleihof.
    Seine Gedanken kreisten noch um die anmutige Gestalt und ihr abweisendes Gesicht, als keine halbe Stunde später in der Westmauer Heidelbergs das Speyrer Tor sich vor ihm öffnete. Von Herzenburg und sein Cornet Mathias von Torgau ritten an der Spitze des Trosses aus Obristenstab, Marias Hofstaat und den sechs auffälligen Wagen, mit denen Greenley und seine englischen Komödianten reisten.
    Nichts an von Torgau ähnelte noch einem Edelmann. Nicht wie der Sohn eines Burggrafen, der seinem Kurfürsten das Reich verwaltete, sah er aus, sondern wie ein armer Spielmann. Er trug einen Flickenmantel, einen bunten Hut und auf dem Rücken eine alte Laute. Sein Lautenspiel konnte der Rittmeister gewöhnlich nur betrunken ertragen, doch als fahrender Musikant verkleidet und mit einer Hure aus dem spanischen Feldlager an der Seite hatte Mathes gute Arbeit für Tillys Truppen erledigt und die Mauern und Wehranlagen ausgespäht.
    Die junge Frau vor der Kanzlei wollte und wollte dem Rittmeister nicht aus dem Sinn. Was hatte sie geritten, ihn derart zu missachten? Sie würde bezahlen müssen für ihren Stolz und ihre Verachtung; das nächste Mal, wenn er nach Heidelberg kam – und erwürde wiederkommen, schon bald –, das nächste Mal würde sie bezahlen müssen. Sie oder eine andere.
    Das Mädchen fiel ihm ein, das er ein Jahr zuvor in jenem lutherischen Pfarrhaus geschont hatte. Jetzt bereute er es. Die Nächste würde zahlen, das schwor er sich.
    Und prompt sprangen auch der weiße Geist von der Komödiantenbühne und die Stimme des Pickelherings auf sein Gedankenkarussell. Auf sie folgten Hildegards fahles Gesicht, die roten Dahlien auf dem Grab seiner Mutter, die

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