Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition)
würde.«
Der Prinzipal zog die Brauen hoch, erhob aber keine weiteren Einwände mehr. »Einige meiner Komödianten sprechen die Sprache dieses Landes noch nicht gut genug. Für diesmal gehe ich zurück nach England, damit wenigstens einige es lernen.« Er hob den Blick und spähte zur Stadtmauer. Vorn am Speyrer Tor riefen und winkten sie bereits.
Greenley bedeutete dem Kutscher noch zu warten. »Außerdem will ich ein paar Stücke unserer Dichter für die Deutschen umschreiben und übersetzen. Angefangen habe ich schon. Kannst du lesen?«
David nickte, die Landgräfin hatte ihm das Lesen und Schreiben eingebläut.
»Dann nimm diese Abschrift hier.« Der Engländer zog ein kleines, blaues Buch aus seiner Rocktasche und reichte es hinunter zu David. »Sie enthält Verse unseres besten Dichters.«
David nahm das Buch. Es war in dunkelblauen Stoff geschlagen und hatte lederne Ecken und einen ledernen Rücken. Ein fremdartiger Namenszug stand auf dem Buchdeckel: William Shakespeare . Er schlug es auf. Die Seiten waren mit kleiner, kunstvoller Handschrift beschrieben, gut lesbar und in einem verständlichen Deutsch.
»In ein oder zwei Jahren, wenn die Schlächterei weitergezogen ist, kehren wir zurück ins Reich.« Greenley winkte. »Wenn das Schicksal es will, findest du mich auf dem Kölner Markt, David Unterkofler, oder auf der Ostermesse in Frankfurt oder in Nürnberg. Leb wohl.«
Er gab dem Kutscher ein Handzeichen. Der trieb das Gespann an, und der Wagen rollte dem Speyrer Tor entgegen. David sah ihm nach, bis die Torflügel sich hinter ihm schlossen.
11
D unkle Wolken füllten den Himmel, und der Wind blies schneidend kalt. Die Luft roch nach faulem Laub, Winter und Unglück.
Hannes zog sich die Kapuze seines Wollmantels über den Blondschopf. Im vergangenen Jahr hatte der graue Wintermantel noch einen Gärtner der alten Abtei Neuburg gewärmt. Dessen Witwe hatte ihn dem jungen Zimmermanngesellen aus dem Odenwald geschenkt. Mit Dankbarkeit dachte Hannes an die alte Frau, während er seinen Rappen den Waldhang hinauf lenkte und die Kälte ihm das Wasser aus den Augen trieb.
Der November begann, und prompt schlug das Wetter um. Der Winter klopfte bereits an die Tür. Noch früher als im letzten Jahr würde er einbrechen, noch härter würde er das Land an Rhein und Neckar treffen. Die alte Witwe in der Abtei Neuburg war sich da ganz sicher gewesen.
Der Wald lichtete sich. Im Westen erhob sich der Heiligenberg gegen einen wilden düstergrauen Himmel. Hannes hatte den vertrauten Berg in einem weiten Bogen umritten, denn Soldaten arbeiteten dort an den alten Schanzen. Von weitem hatte Hannes einige gesehen, als er vorgestern auf den Pfaden rund um den Berg nach Susanna gesucht hatte. Englische Waffenknechte der Stadtgarnison oder schon Tillys Vorhut? Hannes wusste es nicht; und hatte lieber darauf verzichtet, es herauszufinden. Selbst, wenn es Engländer gewesen waren – irgendwann würden doch die Bayern ihre Geschütze auf den Heiligenberg schleppen und auf Heidelberg richten, spätestens nach dem Winter. Hannes zweifelte nicht daran.
Der Weg fiel jetzt steil ab. Am Fuß des Hanges breitete sichdie Rheinebene aus. Die ersten Weingärten von Handschuhsheim rückten näher, und jetzt sah er die Heimat der Geliebten zum Greifen nahe unten in der Ebene liegen: das liebliche Handschuhsheim.
Drei Tage hatte Hannes in der alten Abtei zu Neuburg auf Susanna gewartet. Sie kam nicht. Danach hatte er alle möglichen Wege zwischen Neuburg und Handschuhsheim abgeritten. Er fand sie nicht. Und die letzten beiden Tage hatte er am Neckar und in der Umgebung des Heiligenbergs nach ihr gesucht. Nichts.
Hatte man ihre heimlichen Fluchtpläne aufgedeckt? Hatte die Mutter sie womöglich an den Stickereitisch gekettet? Der Meisterin Almut traute Hannes mittlerweile jede Niederträchtigkeit zu.
Daran, dass Susanna den Bayern bei den Schanzen auf dem Heiligenberg oder irgendeiner beutegierigen spanischen Reiterrotte vor die Hufe gelaufen war, mochte er lieber gar nicht denken. Denn dann krampfte sich ihm jedes Mal das Herz zusammen und das Gewissen schlug ihm – er war es ja gewesen, der Susanna zur Flucht überredet hatte.
Auf dem Hauptweg am Rand der Weinberge hatten die Handschuhsheimer Wachen aufgestellt. An der Bergstraße rechneten sie mit jedem denkbaren Unglück, das ein Krieg mit sich brachte, seit Tilly Heidelberg zur Übergabe aufgefordert hatte. Auch zu Hause im Walddorf war man vorbereitet. Inzwischen waren
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