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Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition)

Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Ziebula
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»Dann fällt dir wohl ein besseres Los zu als mir.« Wie schon so oft während der Vorstellung sah sie hinter sich zum Eingang der kurfürstlichen Kanzlei, und diesmal verharrte ihr Blick länger dort. Von Herzenburg folgte ihm.
    Die Leute auf der Vortreppe wichen zur Seite. Georg, Prinz von Bernstadt, erschien unter dem Eingangsportal: groß, massig, grau, in silbrigem Brustharnisch und blauem Samtmantel und mit dem Gesicht einer fetten, rot gekochten Kröte.
    »Hin und wieder gelingt es mir noch, ein gewisses Vergnügen zu mimen, wenn er auf mir herumkeucht«, flüsterte Maria. »Sei also dankbar und froh für das junge Ding, das der Herr Graf dir ausgesucht hat.«
    Sie lächelte wieder zur Bühne hinauf, wo der durchaus witzige Komödiant in Gelb-Rot vor gespielter Anstrengung seufzte unddabei mit seinem Spaten hantierte, als wollte er ein Grab schaufeln. Der den Geist mimte, zog sich zurück, und der angebliche Prinz verharrte wie vom Donner gerührt.
    Sei dankbar und froh … Das war er. Für die gemeinsamen Reisetage von Oppenheim nach Heidelberg. Von Herzenburg lächelte in sich hinein. Maria hatte kein Vergnügen mimen müssen, weiß Gott nicht. Weil das entfesselte Kriegsvolk des Grafen Mansfeld die Gegend unsicher machte, hatten sie lange gebraucht für den Weg den Rhein herauf. In Heidelberg dann schon wartete die Nachricht seines Obristen: Die Spanier hatten die Belagerung Frankenthals abgebrochen, und General Tilly wollte die Übergabe der Residenzstadt fordern – durch ihn, seinen Obristen, den Prinzen von Bernstadt. Und er, von Herzenburg, solle mit der Prinzessin in Heidelberg auf ihn warten.
    Der Rittmeister schielte hinter sich: Sein Obrist und dessen Adjutant und Leibgardisten hatten sich auf der Vortreppe breitgemacht. Hinter ihnen erschien nun der holländische Hausherr, der Gouverneur van der Merven. Man nickte ihm höflich zu, trat zur Seite und machte ihm Platz, damit er die Treppe hinuntergehen konnte. Peinliche Szene.
    Van der Merven schritt an den Lehnstuhlreihen vorbei und strebte zu dem einzigen freien Platz in der ersten Reihe. In der Kanzlei hatte Marias Gatte ihm den Brief von Tilly überbracht – ein Brief mit der Forderung, die Residenzstadt des Geächteten, des närrischen Friedrichs, kampflos zu übergeben. Aus dem Augenwinkel schielte der Rittmeister nach rechts, wo der Gouverneur sich einige Lehnstühle weiter fallen ließ. Seiner bleichen Leichenbittermiene nach hatte er das Schreiben bereits gelesen.
    »Hütet euch, ihr Leute!«, rief auf der Bühne der lustige Totengräber. »Hütet euch, wenn ein Geist zu euch spricht!« Dann verbeugte der Engländer sich. Der Geist und der Prinz kamen zu ihm und verbeugten sich ebenfalls. Beifall brandete auf. Im Hof, im Garten, an den Fenstern der Kanzlei – überall klatschten die Leutein die Hände. Einige stießen Hochrufe aus, andere verlangten eine Zugabe.
    Maria stand auf. Zügig erhob sich auch der Rittmeister. Das war es also gewesen? Er hatte sich mehr erwartet von Marias Pickelhering. Lächelnd folgte er seiner Cousine durch die Menschengasse, die sich vor ihr bildete, zur Vortreppe, wo noch immer ihr Mann und Maximilian von Herzenburgs Obrist mit seiner Eskorte wartete. Mit einem kaum merklichen Nicken und dem Senken seiner schweren Lider gab er dem Rittmeister zu verstehen, dass es höchste Zeit war, Heidelberg zu verlassen.
    Wahrhaftig – man sah sie dem Prinzen von Bernstadt an, die drei Liter Wein, die er sich täglich in den fetten Schlund goss. Wie abgestorben sah seine aufgequollene Miene aus, wie eine bereits wegfaulende Maske. Der Geist vorhin auf der Bühne hatte nicht halb so tot ausgesehen. Und kaum dachte der Rittmeister an die weiße Gestalt des Geistes, da glaubte er, wieder Greenleys Stimme zu hören.
    Hütet euch, wenn ein Geist zu euch spricht …
    Als würde der Pickelhering es hinter ihm herrufen, so gegenwärtig gellten die Worte durch von Herzenburgs Gedanken, und im selben Moment stand ihm die fahle Totenmaske Hildegards vor seinem inneren Auge. Das geschah ihm oft. Und dann sprach seine Zwillingsschwester mit ihm.
    Doch nein – sie kam ja nicht als Geist zu ihm in solchen Augenblicken, sie kam ihm als das erinnerte Bild eines geliebten Menschen in den Sinn. Und als Erinnerungsbild sprach sie ihn jedes Mal an, keineswegs als Geist. So verhielt es sich doch, oder etwa nicht? Auf diese Weise sprach Hildegard oft zu ihm, wahrhaftig! Sprach zu ihm, obwohl sie zu Hause auf dem Burghof im Grab neben der

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