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Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition)

Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Ziebula
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sitzenden Cousine zu und ließ sich die Geschichte von ihr erklären.
    Eine Familiengeschichte, wenn von Herzenburg alles richtig verstand: Der Bruder eines Königs pflegt eine verbotene Liaison mit dessen Gattin, bringt den brüderlichen Rivalen um und nimmt die Schwägerin danach auch hochoffiziell zur Frau – und ihrem Sohn, dem Prinzen, die Krone weg. Und die ebenso frisch verwitwete wie frisch verheiratete Mutter des Prinzen lächelt über all das hinweg und schweigt.
    Und jetzt also der Geist und seine Forderung nach Rache.
    Geister, zumal solche, die Rache forderten, waren das Letzte, woran der Rittmeister zu glauben bereit war. Doch Mütter, die zu den Untaten ihrer Männer schwiegen, sollte es durchaus schon gegeben haben, sogar in edlen Geschlechtern mit wohlklingenden Namen. Sogar in von Herzenburgs Geschlecht.
    Ein Engländer, dessen Name der Rittmeister sich nicht merken konnte, hatte die Geschichte geschrieben, und Maria fand sie furchtbar aufregend. Dabei schien sie das Stück längst in- und auswendig zu kennen. Aus purer Höflichkeit neigte er ihr sein Ohr zu; und weil die Nähe einer schönen Frau ihn nun einmal in einen angenehmen Erregungszustand versetzte. Im Grunde jedoch wollte von Herzenburg sie gar nicht so genau erfahren, diese offensichtlich blutige Familiengeschichte, fand sie aus irgendeinem Grund sogar ärgerlich. Ein Geist? Eine zum Mord an ihrem Gatten schweigende Frau? Was sollte das? Warum musste er hier sitzen?
    Einzig der lustige Vogel am Bühnenrand, Greenley, der schien ihm ganz amüsant. Doch, wirklich.
    Während der Reise zum Neckar hatte Maximilian von Herzenburg den Engländer ein wenig kennengelernt – ein angenehmer Zeitgenosse, dazu klug, gebildet und wortgewandt; beinahe zu wortgewandt nach Maximilians Geschmack.
    Tatsächlich schien diesen englischen Komödianten mit der Prinzessin nicht mehr zu verbinden als die Liebe zur Kunst, was Maria betraf, und die Freude über eine schwerreiche Gönnerin, was Greenley betraf. Jedenfalls hatte der Rittmeister nichts beobachtet, was seinen Verdacht erregt hätte. Ganz sicher allerdings konnte man sich bei seiner Cousine nie sein.
    Und der Maler? Von Herzenburg lächelte zufrieden in sich hinein: Gehündelt vor der Prinzessin hatte der Rotschopf aus Antwerpen, angeschmachtet hatte er sie, und Maria hatte ihm die kalte Schulter gezeigt. Neben der ersten Sesselreihe mühte der Bedauernswerte sich jetzt vor seiner Leinwand, pinselte wie ein Besessener, um die Gunst seiner Herrin zurückzugewinnen.
    Einen Grund, ihm etwas anderes als ihre kalte Schulter zu zeigen, hätte Maria auch nicht gehabt. Alles, wonach sie verlangte während der Reise, hatte sie ja bei ihm, ihrem Cousin gefunden. Reizende Erinnerungsbilder breiteten sich in von Herzenburgs Schädel aus, erregende Bilder. Unwillkürlich beugte er sich näher zu ihr hinüber, tat, als lauschte er ihren Erklärungen, schnupperte nach ihrem Kirschduft …
    »Habt ihr es verstanden?« Die Stimme des Harlekin riss ihn aus seinem lieblichen Tagtraum. »Prinz Hamlet soll töten, die seinen Vater getötet haben!«, rief Greenley. »Er wird doch nicht auf den Geist hören?« Dem Geflüster seiner Cousine entnahm Maximilian, wen genau der Prinz töten sollte: seinen Onkel und die eigene Mutter.
    Wie ein Schmerz zuckte es dem Rittmeister durch Hirn und Brust. Seine eigene Mutter stand ihm plötzlich vor Augen. Wie sieall die Jahre geschwiegen hatte zu Hildegards Qualen, wie sie nun im Grab zu Hause auf dem Burghof lag und für immer schwieg. Und neben ihr die arme Hildegard. Der Vater dagegen, der wüste Herr Graf, der lebte noch.
    Ganz steif saß der Rittmeister in diesem Augenblick. Seine Fingerknöchel traten weiß hervor, weil er die Armlehne des Stuhls fest umklammerte. Warum, beim Allmächtigen, musste er denn hier sitzen?
    »Es gefällt dir nicht, habe ich recht?«, flüsterte Maria ihm zu. »Es langweilt dich sogar.« Er lächelte einfach, das mochte genügen als Antwort. »Hast du den Brief inzwischen genauer gelesen?«, wollte sie wissen, während auf der Bühne dem armen Prinzen der Unterkiefer vor Angst wackelte.
    »Welchen Brief?«, flüsterte er.
    »Den deines Vaters. Weiß du nun, wen du heiraten sollst?«
    »Irgendeine Großnichte des Herzogs von Sachsen-Coburg. Mein Herr Graf will seinen berühmten Namen aufwerten.«
    »Wie heißt sie?« Von Herzenburg zuckte mit den Schultern. »Ist sie schön?« Wieder nur ein Schulterzucken. »Ist sie jung?« Von Herzenburg nickte.

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