Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition)
blutverschmierten Stiefel seines Feldwebels Schneeberger, das harte Gesicht seines Vaters. Immer schneller drehte es sich.
Von Herzenburg zog die Schultern hoch und schüttelte sich. »Höchste Zeit, dass der Krieg weitergeht.« Pfälzische Musketiere winkten sie ins offene Tor. Fast gelang dem Rittmeister schon wieder das gewohnte, ein wenig müde Lächeln. »Man kommt nur auf dumme Gedanken, wenn man nichts zu tun kriegt, was eines Mannes würdig ist.«
»Allerhöchste Zeit, Max.« Der verkleidete Cornet wandte sich nach den Wagen und den anderen Reitern um. Greenleys Kutsche hatte angehalten, ein Bär sprang von ihrer Ladefläche auf die Straße, der Kerl in Rot-Grün und mit den Hahnenfedern am Hut hinterher. »Die Kompanie wird schon auf uns warten.« Von Torgau winkte den Kutschern und trieb sein Pferd an. »Sehen wir zu, dass der Schneeberger und die Männer nicht unzufrieden werden. Sie haben lange keine Beute mehr gemacht.«
»Und du auch nicht, Mathes, hab ich recht?« Von Herzenburg winkte den misstrauischen Wächtern im Turm zu. »Übermorgen reiten wir wieder zum Fouragieren hinaus. Graf Mansfeld treibt sich auf der anderen Seite des Rheins herum. Die rechtsrheinische Pfalz jedoch steht uns offen. Bedienen wir uns also.«
*
Greenley bedeutete seinem Kutscher, die Zügel straff zu halten. »Mach dir nichts daraus, David Unterkofler – diese Frau mag reich und von Adel sein, aber sie kennt das Leben nicht und sie hat nie gelernt genau hinzusehen. Das Leben wird sie kennenlernen, ob sie will oder nicht. Doch um wirklich sehen zu lernen, scheint sie mir zu selbstverliebt.«
»Ich bin kein Hanswurst!« David verstand nicht wirklich. Er machte Anstalten, seiner Bärin hinterher aus Greenleys Wagen zu klettern. »Ich bin Jean Potage, und ich bin gern Jean Potage!«
Der Prinzipal hielt ihn am Arm fest. »Etwas gern zu sein muss nicht bedeuten, etwas anderes nicht noch lieber zu sein.« David blickte in das scharf geschnittene Raubvogelgesicht. Kein Spott glitzerte in den tiefliegenden Augen des Engländers, sondern hellwache Aufmerksamkeit – und eine Zärtlichkeit, die David verblüffte. »Ich sehe dich, Jean Potage«, sagte Greenley leise. »Schon als ich dich vor drei Jahren zum ersten Mal beobachtet habe, habe ich gesehen, wer du bist. Gehe mit mir, David Unterkofler.«
Mit seiner Komödiantentruppe wollte der englische Prinzipal den Rhein hinunter per Schiff nach Holland fahren, und von dort dann nach London. Sein Bruder hockte bleich und hohlwangig hinten im Wagen und versuchte, ihr auf Deutsch geführtes Gespräch zu verstehen. Er diente als Leutnant auf dem Schloss von Heidelberg und war beinahe am Typhus gestorben. Aus Dankbarkeit für seine Genesung hatte Greenley einige Szenen aus den Komödien und Tragödien gespielt, die er in den großen Städten des Reiches aufzuführen pflegte. Und niemand musste Eintritt bezahlen.
»Rätselhafter Zufall regiert das All«, sagte der Prinzipal. »Und es ist bereits das zweite Mal, dass er unsere Wege sich kreuzen lässt. Jetzt musst du dich entscheiden, David Unterkofler – eine dritte Chance bekommst du nicht: Schließe dich meiner Compagnie an.«
»Ich kann nicht.« David musste schlucken. Er machte sich losund kletterte vom Wagen des Engländers. »Der Gouverneur hat mir verboten, die Stadt zu verlassen.«
»Verboten?« Greenley lachte laut. »Niemand erteilt dem Leben Gebote oder Verbote. Vergiss doch nicht die viele Schlächterei hier in der Kurpfalz, David Unterkofler. Glaubst du etwa, sie würde an Heidelberg vorbeiziehen? Sieh zu, dass du hier rauskommst! Spürst du nicht, dass die Zeit reif ist, deiner inneren Stimme zu folgen?«
»Die sagt aber: ›Bleibe in Heidelberg‹.« Curas Kette in der Rechten und die Linke auf dem Wagenrad blickte David zu Christopher Greenley hinauf. Dessen kraftvoller Blick gebot ihm, wieder einzusteigen.
Und David fühlte, wie er gehorchen wollte. Die Erinnerung an den unvergesslichen Pickelhering vorhin auf der Bühne im Kanzleihof – an seine klare Stimme, sein reiches Mienenspiel, sein schönes Kostüm – drohte ihn zu überwältigen. Und jetzt diese Eindringlichkeit, dieser durchdringende, zärtliche Blick …
Plötzlich fühlte er auch, dass er doch kein Jean Potage mehr sein wollte, dass er sein wollte wie er, der Mann dort oben im Wagen … David nahm die Hand vom Wagenrad. »Ich kann aber nicht. Die anderen müssten es büßen, wenn ich mich in Eurem Wagen versteckt aus der Stadt stehlen
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