Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition)
gemach! Er muss mich nicht so streng anschauen, wirklich nicht …« Hacker schob den Becher zum Krug und fiel fast vom Stuhl dabei. »Es ist alles nicht meine Schuld. Diese Suppe hat der Kurfürst uns eingebrockt …« Die Landgräfin griff beherzt zum Krug, füllte ihm den Becher und schenkte auch den anderen beiden Verletzten nach. »Einfach nach der böhmischen Königskrone greifen, wo die doch dem Kaiser Ferdinand zusteht …« Wie tadelnd schüttelte Hacker den Kopf, schnalzte mit der Zunge und setzte den Becher an die Lippen.
David konnte die Lage hier noch immer nicht recht durchschauen – was hatten die Verletzungen der drei Soldaten zu bedeuten? Was der Wein? Sie hatten ihn im Keller eines halb zerschossenen Nachbarhauses gefunden, und Stephan hütete ihn wie sonst nur sein venezianisches Pantalon-Kostüm. David sah ihn fragend an.
»Sie kamen zu fünft.« Stephan trat an den Tisch, schenkte sich Wein nach. Er sprach heiser. »Wollten mich holen.« Auch er wirkte zerknirscht. »Wollen auch mir den Prozess machen. Der Baron von Mosbach und der Schlosskommandant wollen nicht glauben, dass ich nichts von Rübelraps Diebstählen wusste. Und der Magistrat auch nicht.«
»Nur du selbst glaubst das, Unterkofler, was?« Hacker lachte trocken und gehässig. »Und du, Jean Potage – glaubst du’s auch?«
»Ich glaube, dass jetzt nicht die Zeit ist, sich wegen gestohlener Uhren und Dukatensäckel zu grämen, Hacker. Tilly steht vor dem Tor, und seine Kosaken pflegen einem erheblich mehr zu rauben als nur Klunker, wie man hört.«
»Wem sagst du das, Gaukler?« Hacker seufzte traurig. »Und jetzt auch noch der Sturm.« Er lauschte dem Heulen des Orkans und dem nächsten krachenden Donnerschlag. »Als wollte mit Heidelberg gleich die ganze Welt untergehen.« Er hob seinen Becher. »Lasst uns trinken, ihr Gaukler, ihr Soldaten, ihr Weiber! Und wenn wir besoffen und mutig genug sind, lasst uns hinaus vors Speyrer Tor gehen und uns dem Tilly ergeben!« Er schwankte gefährlich auf seinem Stuhl, während er den Wein hinunterstürzte.
Der Reihe nach musterte David die Soldaten. Die Schotten schienen nur die Hälfte zu verstehen, der Holländer gar nichts. Und der an der Tür hatte die Hand auf seinen Degen gelegt. Stocknüchtern war der. »Ich zähle nur vier«, sagte David, »wo ist der fünfte?«
»Draußen unter dem umgestürzten Baum.« Hacker rülpste. »Tot.«
»Stephan ist weggerannt«, erklärte die Landgräfin, »die Waffenknechte hinterher. Dabei hat es längst gestürmt und geblitzt. Und dann ist die alte Linde am Turnierplatz umgestürzt.« Mit einer Kopfbewegung deutete sie auf Hacker und die anderen Verletzten. »Die da haben Glück gehabt.« Ihr listiger Blick blieb auf David ruhen. »Ich dachte, ein bisschen Wein wird sie schon trösten.«
»Zeit zu gehen.« Der unverletzte Schotte an der Tür zog den Degen und richtete ihn auf Stephan. »Komm mit, Gaukler.« Zu Davids Verblüffung sprach der Mann mit nur leichtem Akzent.
»Ja, der Gewittersturm lässt nach, Zeit, unsere Pflicht zu tun.« Hacker lallte bereits. »Unser heilige Pflicht …« Er grinstesüßsauer, führte sich mit der Linken die verletzte Rechte in die Rocktasche und verkniff sich ein Stöhnen. »Komm schon!« Mit dem Ellbogen stieß er den Holländer an. »Nimm dein Bein vom Hocker und reiß dich zusammen, Kerl.« Er stand auf, schwankte, stützte sich auf Stephan. »Los, Gaukler! Wir müssen sowieso alle den Weg gehen, den Gott uns vorherbestimmt hat. Pack dir was zum Futtern ein. Wer weiß, wann der Magistrat Zeit findet, deine Angelegenheit zu …«
Lauretta warf sich schreiend auf den Boden, halb fluchte sie, halb jammerte sie. David blieb keine Zeit, auf ihre Worte zu achten, denn plötzlich wirbelte eines der großen Messer durch die Luft, mit denen sie sonst nur auf der Bühne warf. Es fuhr neben dem schottischen Degenmann in die Tür.
Der prallte erst zurück, stand dann wie festgewachsen. Und wieder zuckte Laurettas Bein hoch und herunter, und eine halb volle Weinflasche flog durch den Raum, traf den verdutzten Schotten mit Wucht an der Stirn. Dessen Hinterkopf prallte gegen das Türblatt. Er rutschte zu Boden, wo er benommen liegen blieb.
Marianne sprang zu ihm, und ehe David recht begriff, was geschah, hatte sie schon die Weinflasche aufgelesen und schlug zu. Zwei Mal. Danach nützte dem Schotten seine Nüchternheit gar nichts mehr: Blutend und reglos lag er neben seinem Degen.
Der Schotte mit der Kopfwunde hielt
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