Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition)

Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Der Gaukler: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Ziebula
Vom Netzwerk:
nach, der Donner grollte nun weiter im Osten, Blitze zuckten nur noch im Minutentakt. »›Gottes Wege sind vollkommen, er ist ein Schild allen, die ihm vertrauen …‹« Fünf Uhr läutete die Glocke im Turm der Heilig-Geist-Kirche. »Lieber Gott, du bist allmächtig, kannst mich retten, wenn du willst. Rette mich, ich flehe dich an. Rette mich und zeig mir deinen vollkommenen Weg für mich – ich werd ihn gehen, ich versprech’s dir. Und wenn der Hannes noch lebt, dann führe mich zu ihm …«
    *
    Ein Blitz zuckte grell über Dächer und Hügel – David schloss geblendet die Augen. Der sofort folgende Donner krachte so gewaltig, dass der Gaukler vor Schrecken in die Knie sank. Ging denn jetzt doch die Welt unter?
    Wie ein schwarzer Teppich war die Dunkelheit von jetzt auf gleich auf die Stadt gefallen. Nur Wetterleuchten im Westen und später die Blitze erhellten den ansonsten pechschwarzen Septembernachmittag, Dennoch hatte David sich mit Brot, Fleisch und Früchten zur Brücke aufgemacht, wo Rübelrap wieder im Kerkerturm lag. Am Vormittag hatten sie oben im Schloss über ihn zu Gericht gesessen. Keiner der Gaukler gab sich noch Illusionen hin, worauf das hinauslaufen würde. Vielleicht war es schon die Henkersmahlzeit, die David ihm bringen wollte.
    Auf der Hauptstraße klatschten ihm die ersten Tropfen ins Gesicht, auf dem Marktplatz war er schon nass bis auf die Haut, und jetzt kniete er in einer Pfütze dort, wo die Steingasse vom Marktplatz aus zum Neckar und zur Brücke hinabführte.
    Die nächste Orkanböe stieß ihn nach vorn aufs nasse Pflaster. Er riss die Augen auf, stemmte sich hoch und traute seinen Augen kaum: Ein Blitz tauchte die gesamte Steingasse in grellstes Licht. Scharf riss er auch die Umrisse der Brückentürme und Teile der Brücke selbst aus dem Dämmerlicht – und das halbe Brückendach, wie es sich vom Gebälk der Brückenbahn löste, wie es in Bretter und Balken und Schindeln zerfallend durch die von Regen zerpeitschte Luft wirbelte und in den Neckar stürzte.
    Ein mächtiges Knirschen und Krachen erfüllte die Welt zwischen zwei Donnerschlägen. Pure Angst erfasste Davids Gedanken und jede Faser seines Körpers. Er sprang hoch. Nein, jetzt bloß nicht weiter zur Brücke hinunter! Er blickte auf das Säckchen, das die Zwergin mit Speise für ihren Geliebten vollgestopft hatte. Später. Am Abend, wenn der Gewittersturm vorbei war, oder morgen, gleich bei Sonnenaufgang – bis dahin würde Rübelrap schon nicht verhungern. Hatte doch genug Fleisch auf den Knochen.
    David machte kehrt, rannte über den Marktplatz und dann dicht an den Fassaden entlang die Hauptstraße hinunter zum Herrengarten. Seine Kleider waren schwer von Wasser, und seine nassen Stiefel quietschten bei jedem Schritt.
    Die Turmuhr der Heilig-Geist-Kirche hinter ihm schlug halb fünf. Gewitter und Sturm ließen nicht nach, wüteten immer heftiger. Keine Menschenseele auf der Straße, auf den Gassen. Nur da und dort leuchteten im Schein der Blitze weiße Gesichter hinter Scheiben und unter Torbögen auf. Im Mitteltor drückten Männer mit Hellebarden und Musketen sich in Mauernischen. Endlich der Herrengarten. David rannte durch das offene Tor. Wie geisterhafte Titanen schüttelten sich die Kronen der Bäume in den Sturmböen, einer lag vom Orkan entwurzelt quer vor dem kurfürstlichen Turnierhaus, und der blitzende Himmel spiegelte sich in einem Teich, der noch vor einer halben Stunde ein Turnierplatz gewesen war.
    David hielt auf ein flaches Nebengebäude des Turnierhauses zu, denn hinter den Fenstern dort flackerte Licht. Bis zu den Knöcheln versank er in Schlamm, watete durch Pfützen und stolperte über Äste, die der Sturm aus Baumkronen gerissen hatte.
    Zu Beginn des Winters hatte der Magistrat den Gauklern am Rande des alten Turnierplatzes das verlassene Haus eines Pferdeknechtes und einige leere Stallungen zugewiesen. Eine Wagenburg konnten sie nicht mehr bilden – es war ihnen ja nur ein Wagen geblieben –, und die Pferde hatten sie bis auf zwei alle verkaufen oder schlachten müssen.
    Im Stall schnaubten sie, die beiden Übriggebliebenen, als er hineinstürzte. Und der Dachshund kläffte, der Engländer heulte, der Affe schrie, Bela und Cura brummten und der Rabe krächzte, als hätte der Uhu ihm die Fänge ins Federkleid geschlagen. »Gut, guut …« David gurrte, brummte, schnalzte mit der Zunge und pfiff. »Alles ist guut, meine Tierchen …«
    Er streifte sich das Wasser von den Kleidern und trat

Weitere Kostenlose Bücher