Der Gebieter
angesichts des bösen Blicks des Königs hastig die Tür hinter sich zu.
Eugenides wandte sich an Costis. »Niemand durchschreitet diese Tür, Costis. Niemand kommt durch irgendeine der Türen in diese Wachstube hinein, ist das klar?«
»Ja, Euer Majestät.«
»Gut. Komm erst einmal hier herein.«
Er ging ins Schlafzimmer, und Costis folgte ihm zur Tür.
»Rück mir bitte diesen Sessel zurecht. Ich möchte ihn vor dem Fenster stehen haben.« Es war ein sperriger, aber nicht schwerer Sessel. Costis hob ihn zögernd hoch und brachte ihn dorthin, wo der König ihn haben wollte.
»Dem Fenster zugewandt oder andersherum, Euer Majestät?«
»Zugewandt.«
Der König setzte sich. Costis blieb stehen. Der König streckte die Hand aus, ohne Costis anzusehen, und sagte: »Nimm mir den hier ab.« Er meinte den Ring, den er am Finger trug. Es war ein schwerer Siegelring aus massivem Gold; das Siegel war in die Oberfläche eines Rubins eingraviert.
Costis zog vorsichtig an dem Ring, aber er saß fest. Er musste das Handgelenk des Königs mit einer Hand umfassen und den Ring mühsam vom Finger abziehen, indem er kräftig zerrte.
»Es tut mir leid, Euer Majestät«, sagte er, während er daran zog.
»Entschuldige dich nicht«, erwiderte der König. »Ich kann
mir nicht vorstellen, dass das Abnehmen von Siegelringen zu deiner Ausbildung gehört hat. Es sei denn, die Garde wird speziell darin unterwiesen, Leichen zu fleddern?«
Costis fand das nicht lustig. »Das wird sie nicht, Euer Majestät.« Er riss ruckartig an dem Ring, und er löste sich.
»Leg ihn auf den Schreibtisch«, sagte der König und sah beiseite.
Costis erinnerte sich, dass Teleus sich Gedanken machte, wie viel Schaden dieser junge Mann würde anrichten können, wenn er sich erst seiner Macht bewusst wurde. Ärgerlich marschierte er zum Schreibtisch und ließ den Ring schwer auf die lederbezogene Tischplatte fallen. Der König beachtete ihn nicht. Costis verließ das Zimmer. Der König hatte ihn nicht angewiesen, die Tür zu schließen, also tat er es auch nicht. Soll er doch darum bitten , dachte er, aber der König tat es nicht. Costis suchte sich eine Stelle aus, an der er stehen konnte, ohne den König vor dem Fenster sitzen sehen zu müssen. Er stand steif in Habachtstellung da und wartete.
Soweit Costis es anhand der Geräusche, denen er mit gespitzten Ohren lauschte, erkennen konnte, rührte der König sich nicht. Minuten verstrichen. Aus dem Schlafzimmer drang kein Laut. Vermutlich hatte der König beschlossen, ein Nickerchen zu halten.
»Costis«, sagte er schließlich. »Komm, stell den Sessel zurück. Und dann lässt du wohl besser die Schoßhunde wieder herein.«
Wider Willen amüsierte Costis die Vorstellung, sich die eleganten Höflinge, die dem König als Kammerherren dienten, als Rudel schlecht erzogener Hündchen auszumalen.
Als Costis sich später in seinem Quartier bereit machte, ins Bett zu gehen, überlegte er, wer dem König den Siegelring wieder angesteckt hatte und ob die Kammerherren sich wohl fragten, wie er ihn abgenommen hatte. Er sah seine linke Hand an,
an der er einen kleinen Kupferring mit dem Emblem des Miras trug, des Schutzgottes der Soldaten, des Gottes von Licht und Pfeilen. Als Rekrut war Costis mit seinen Freunden dem Miras-Kult beigetreten. Jeder von ihnen trug einen solchen Kupferring, obwohl er die Finger grün anlaufen ließ.
Versuchsweise stieß er den Ring mit dem Daumen an, um zu sehen, ob er ihn abnehmen konnte, ohne die rechte Hand zu gebrauchen. Er hakte ihn an der Tischkante ein, doch ohne Erfolg. Am Ende steckte er sich den Finger in den Mund und zog den Ring mit den Zähnen ab. Er spuckte sich den Ring in die Handfläche und ließ ihn auf den Tisch fallen, wo er lag und das Kerzenlicht widerspiegelte. Costis erschauerte, als sei jemand über sein Grab gegangen. Er steckte sich den Ring wieder an den Finger, ging ins Bett und versuchte, an etwas anderes zu denken.
Kapitel 5
In einem kleinen Audienzzimmer erstattete Relius der Königin Bericht. Früher waren sie bei solchen Treffen allein gewesen; jetzt nahm auch der König daran teil. Während Relius sprach, saß Eugenides da, einen gestiefelten Knöchel aufs Knie gelegt, und sah zu, wie eine Goldmünze über die Rückseiten seiner Finger tanzte.
Das war eine Ablenkung, aber die Königin hielt ihre Aufmerksamkeit weiter auf Relius gerichtet. Er drückte sich so verhüllt wie möglich aus und versuchte, sie – ohne den König aufzustören
Weitere Kostenlose Bücher