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Der Gebieter

Der Gebieter

Titel: Der Gebieter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan Whalen Turner
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bestürzter
gewesen. Relius fand, dass er beinahe ausgesehen hatte, als sei ihm schlecht, als er die Münze weggesteckt hatte.
    Relius stand im Bogengang vor dem Audienzzimmer herum, bis der König mit seinen Kammerherren ging. Er entfernte sich durch die Arkade, die im rechten Winkel zu der verlief, in der Relius lauerte, und zog unterwegs die Münze aus der Tasche. Er musterte den Goldstater mit plötzlichem Abscheu und warf ihn schwungvoll zwischen den Säulen des Bogengangs hindurch in das Gebüsch im Hofgarten. Verwirrt ging Relius wieder an die Arbeit.
     
    Als es still im Palast war und man hätte glauben können, dass nur noch die königlichen Gardisten wachten, hörte man: »Baron Artadorus.«
    Es war ein Flüstern, ein so sanfter Lufthauch, dass sich noch nicht einmal Spinnweben darin bewegt hätten, aber in Verbindung mit der Berührung der Klinge an seinem Hals weckte es den Baron sofort.
    Das Nachtlicht brannte nicht. Er konnte nichts bis auf eine dunkle Gestalt erkennen, die sich tief genug über ihn beugte, um die Lippen nahe an sein Ohr zu führen und ihm etwas hineinzuflüstern. Wer auch immer es war, stand nicht neben dem Bett, sondern saß darauf. Dieser Eindringling war im Königspalast, in den Privatgemächern des Barons, in seinem Schlafzimmer, saß auf seinem Bett und hatte doch bei seinem Erscheinen niemanden geweckt, nicht einmal die andere Person im Bett.
    Die Klinge war scharf  – auch wenn er nicht wusste, wie ein Mann ohne Hand ein Messer halten konnte.
    »Euer Majestät?«, flüsterte der Baron.
    »Ich hatte ein sehr interessantes Gespräch mit einem Mann namens Pilades. Kennt Ihr ihn?«
    »Nein, Euer Majestät.« Der Stahl erwärmte sich auf die Temperatur seiner Haut. Er spürte den Biss der Schneide.
    »Er arbeitet im Landwirtschaftsministerium.«
    »Es tut mir leid, aber ich …«
    »Er hat mir alles über das Getreide erzählt, das in den verschiedenen Landesteilen wächst.«
    »Aha«, sagte der Baron schwach.
    »Genau: Aha. Wie lange schon, Baron?«, flüsterte der König und beugte sich immer noch so nahe heran, dass der Baron ihn in die Arme hätte schließen können, wäre er statt eines Mörders ein Geliebter gewesen. »Wie lange macht Ihr schon falsche Angaben über die Getreidesorten, die Ihr anbaut? Wie viele Steuern habt Ihr nicht bezahlt?«
    Der Baron schloss die Augen. »Es war das erste Mal, Euer Majestät.«
    »Seid Ihr Euch sicher?« Die Schneide des Messers drang tiefer ein.
    »Ich schwöre es.«
    »Ich erinnere Euch hiermit daran, dass es Akten gibt, die man überprüfen kann.«
    »Ich schwöre es, Euer Majestät, es war das erste Mal.« Seine Augäpfel drehten sich so weit sie konnten, als er versuchte, das Gesicht des Königs aus den Augenwinkeln zu erspähen. »Werdet Ihr Ihre Majestät darüber in Kenntnis setzen?«
    Das Lachen des Königs war stumm, nicht mehr als ein warmer Luftzug an der Wange des Barons. »Ich bin nachts hier, halte Euch eine Messerschneide an die Kehle, und Ihr macht Euch Sorgen, dass die Königin von Eurem Fehler erfahren wird? Sorgt Euch lieber meinetwegen, Artadorus.«
    Also ist es Erpressung , dachte der Baron. »Was wollt Ihr, Euer Majestät?«
    Der König lachte noch einmal lautlos. »Zunächst einmal, dass Ihr Eure Steuern bezahlt«, hauchte er.
    Er hob die Messerklinge, stand lautlos vom Bett auf und
durchquerte den Raum genauso stumm, aber als er die Tür durchschritten hatte, zog er sie mit einem Klacken hinter sich zu. Im Bett neben dem Baron murmelte jemand schläfrig etwas, regte sich und setzte sich auf. Es war, den Göttern sei Dank, nicht seine Frau, denn die wäre schon bei dem geflüsterten Gespräch erwacht. »Hast du auch etwas gehört?«
    »Du hast es geträumt«, sagte der Baron. »Schlaf weiter.«
    Lange lag er im Bett und dachte nach. Er war eindeutig ein Narr gewesen  – ein Narr, dass er nicht bemerkt hatte, dass der König durchaus gefährlich sein konnte, obwohl er unfähig und unerfahren war. Ein noch größerer Narr, sich auf Baron Erondites’ Vermutung zu verlassen, dass die Königin von ihrer neuen Ehe abgelenkt sein könnte. Erondites, der noch nie ein Freund der Königin gewesen war, hatte erkannt, dass Artadorus all die Jahre nur aus Vorsicht loyal geblieben war und dass Gier ihn vom rechten Weg abbringen könnte. Er hatte ihm diese Falle gestellt, indem er ihm ein Mittel vorgeschlagen hatte, die Steuern der Königin zu umgehen, und ihn hineintappen lassen, indem er den König von der

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