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Der Gebieter

Der Gebieter

Titel: Der Gebieter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Megan Whalen Turner
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umdrehte, sah er Teleus, der von seinem Sturz in den Spiegelteich noch nass war. Teleus wirkte so betäubt, wie Costis sich fühlte. Seite an Seite starrten sie die Blutlache zu ihren Füßen an, und Seite an Seite wandten sie sich dem König zu, der, die Hand in die Hüfte gestemmt, mit dem Rücken zu ihnen stand.
    »Euer Majestät?« Costis’ Stimme war nur als Flüstern zu hören.
    Der König wandte den Kopf. Trotz seines sonst dunklen Teints war er so bleich, dass die Narbe auf seiner Wange sich von der helleren Haut ringsum abhob. Er war fast grün vor Blässe, wie Sejanus ihn einst beschrieben hatte. Nicht vor Angst. Vor Zorn.
    Leise sagte er: »Ich dachte, König zu sein hieße, dass ich nicht selbst Leute umbringen muss. Jetzt begreife ich, dass das eine Fehleinschätzung unter vielen war.«
    Teleus und Costis standen starr wie Gartenstatuen da.
    »Wo sind meine Wachen, Teleus?« Er sprach noch immer leise. Drei tote Männer, und er war noch nicht einmal außer Atem, wie Costis bemerkte.
    »WO SIND MEINE WACHEN?«, brüllte der König.
    In der Stille, die darauf folgte, zwitscherten die Vögel aufgeregt in den Büschen ringsum.
    »Hier, Euer Majestät.« Es war Aristogiton, hinter dem sich seine Männer am Ende des Heckengangs drängten.
    »Und wo waren sie?« Fast flüsternd wandte sich der König an Teleus allein.
    »Sie wurden vom Lärm der Hunde weggelockt, die im Jagdhoflosgelassen worden waren, Euer Majestät. Sie sind hingegangen, um zu helfen, die Hunde vor Eurer Rückkehr in den Palast wieder einzufangen.« Teleus war sehr ruhig.
    »Ich verstehe«, sagte Eugenides. Er sah den Leichnam zu seinen Füßen an. »Lasst sie diese Schweinerei beseitigen. Der da«  – er nickte zu dem Mann hinüber, der am weitesten entfernt lag  – »ist vielleicht noch am Leben. Ihr und Costis könnt ihn dorthin bringen, wo irgendjemand ihn fragen kann, wer sie geschickt hat. Ich gehe jetzt zurück in den Palast … um mich kniefällig bei der Königin zu entschuldigen.«
    »Eure Majestät sollte nicht allein sein«, sagte Teleus.
    Eugenides wandte sich um. »Ich weiß Eure liebenswürdige Besorgnis um meine Gesundheit zu schätzen, Teleus, aber dafür ist es nun zu spät«, sagte er.
    »Bitte«, sagte der Hauptmann demütig, »nehmt Costis und den Truppführer mit.«
    Eugenides ließ es sich durch den Kopf gehen. »Na gut«, stimmte er dann mit kaltem Widerwillen zu.
     
    Aristogiton und seine Männer eilten auf Teleus zu, der sie mit einem Wink zu sich befohlen hatte. Costis wartete, bis der Hauptmann dem Truppführer seine Befehle erteilt hatte; dann schlossen Costis und Aris zum König auf, der sich schon auf den Rückweg in den Palast gemacht hatte. Er ging langsam, die Hand noch immer in die Hüfte gestemmt. Costis hatte ihn noch nie so würdevoll erlebt. Seine feierliche Würde verblasste ein wenig, als sie nahe genug herankamen, um ihn mit gesenkter Stimme fluchen zu hören. Er war weniger einfallsreich als sonst, und zu dem Zeitpunkt, als sie sich dem Spiegelteich näherten, murmelte er immer wieder denselben Satz wie einen Sprechgesang.
    Da sie so langsam gingen, hatte Costis reichlich Zeit, über sein Gelübde an die Göttin Philia nachzudenken. Zehn Goldbecher.
    Mit allem Geld, über das er verfügte, und dazu noch allem, das er sich von den Geldverleihern in der Stadt borgen konnte, würde er sich einen einzigen Goldbecher leisten können. Sein Vater würde vielleicht genug für einen zweiten haben. Die Priester würden nicht alle auf einmal verlangen. Nur wenn Costis zu lange wartete oder starb, bevor er sein Versprechen einlöste, würde er sich den Zorn der Göttin zuziehen. Dieser Zorn würde auch seine Familie treffen; in dem Fall würde sein Onkel sich vielleicht bereit erklären, das Gold für zwei oder gar drei weitere Becher zur Verfügung zu stellen. Wenn die Ernte schlecht wurde oder andere Zeichen des mangelnden Wohlwollens der Göttin auftraten, würde er vielleicht die Ersparnisse der Familie plündern und vier Becher kaufen. Damit blieben immer noch vier unbezahlte Becher, und Costis verabscheute den Gedanken, seinen Onkel um Geld zu bitten, ohnehin.
    Er dachte an Trinkbecher von gewöhnlicher Größe, von einem Goldschmied angefertigt und mit Figuren verziert. Wenn er der Göttin stattdessen zeremonielle Becher anbot  – kleinere Modelle von Trinkbechern, und noch dazu sehr schlichte  –, dann würde sein Geld für mehr reichen, vielleicht für drei kleine, ja, winzige Becher, und

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