Der Gefangene der Wüste
wieder.
Die Berber sahen sich an, als Serrat wieder sitzen konnte und kräftig genug war, um zu fluchen. Dann gingen sie zu ihren knienden Kamelen zurück, saßen auf und ritten wortlos davon.
Serrat sprang aus dem Wagen und schrie ihnen nach.
»Soll ich mich auch noch bedanken?« brüllte er. »Erst klaut ihr mir die Kanister, und dann soll ich eure Füße küssen? Geht zum Teufel!«
Er steckte sich eine Zigarette an, rauchte sie zur Hälfte und warf sie dann weg. Sie schmeckte ihm nicht. In seinem Mund war der Geschmack von Schwefel. Die Kerle haben ihre Wassersäcke verdrecken lassen, dachte er. Aber ich hätte Jauche geschluckt, nur um etwas Flüssiges zu haben.
Serrat setzte sich wieder hinter das Steuer, ließ den Wagen an und fuhr weiter.
Um es vorwegzunehmen: Serrat erreichte tatsächlich Ouargla und einen Tag später das Camp XI.
Ingenieur de Navrimont starrte ihn wie einen Geist an und sagte bloß: »Pierre … sind Sie verrückt? Hier gibt es keinen, der Sie nicht aufhängen will! Warum sind Sie nicht in Algier geblieben?«
Serrat zog den Kopf ein. Er brauste sich, trank drei Gläser Pernod, zog seine umgeänderte verblichene Legionärsuniform an, setzte das weiße Käppi auf und ging durchs Lager.
Eisige Ablehnung schlug ihm entgegen. Keiner begrüßte ihn, keiner gab ihm die Hand. Niemand antwortete ihm, als er sie ansprach.
»Seid ihr alle verrückt?« brüllte er mit seiner gewaltigen Stimme. »Was ist denn hier los? Wo ist Cathérine?«
Es war der kleine Ungar Molnar, der als einziger und auch nur kurz mit Serrat sprach.
»Cathérine ist in Algier. Bete zu Gott, daß sie weiterlebt. Stirbt sie, dann ist die Wüste nicht groß genug für dich, das sagen wir dir! Du bist das größte Miststück, das herumläuft –«
Serrat wurde rot und hob die Faust. Ein Hieb auf den Kopf Molnars bedeutete, daß dessen Hirnschale zerplatzte wie ein Ei. Aber die hochgeschleuderte Faust blieb in der Luft hängen … auf dem Platz vor den Baracken standen stumm zehn Arbeiter von der Frühschicht und starrten Serrat an.
»Ihr Idioten!« knurrte Serrat und ließ den Arm fallen. »Was spielt ihr euch so auf? Sind wir nicht alle aus dem Dreck gekommen?« Er drehte sich um und stampfte in die Verwaltungsbaracke zurück. Es war, als sei er allein auf der Welt. Niemand kümmerte sich um ihn. Da warf er sich auf sein Bett und legte die Hände flach über das Gesicht.
Er spürte mit seinem Raubtierinstinkt, daß er freiwillig in einen Käfig gelaufen war.
Sechs Tage suchten Polizei und Militär die Spuren Saadas. Jussuf ben Rahman hatte nach zehn Stunden Verhör alles gestanden … er war am Ende seiner Kräfte, als der Polizeileutnant ihn endlich vom Bock schnallte, auf den man ihn gelegt hatte, um jede Frage durch einen Hieb mit der Nilpferdpeitsche zu begleiten. Der Körper Rahmans sah schrecklich aus. Dicke blutige Striemen überzogen jeden Teil der Haut … in der letzten Stunde hatte man aus dem Verstockten die wichtigsten Informationen herausgeholt, indem man seinen Unterleib peitschte. Ein Funker saß daneben und gab sofort durch, was Rahman hinausschrie. Die Zentrale in Biskra verfügte dann die Einsätze.
Neun Händler wurden verhaftet, die Jussuf genannt hatte … aber Saada hatten sie nicht gesehen. Da half keine Bastonade, keine Androhung neuer Quälereien … sie schworen beim Barte des Propheten, und das ist nicht zu übertreffen.
Endlich, am sechsten Tag, gab es einen Lichtblick. Was Rahman trotz aller Schmerzen nicht preisgegeben hatte, schrie einer der Händler heraus, als man ihn auf dem Bock festband.
»In Annaba ist ein Käufer!« brüllte er, bevor noch die Schläge auf ihn niederprasselten. »Ali Hadschar heißt er! Er braucht Mädchen für seine Bars und Tanzlokale. – O Allah!«
Er bekam trotzdem zehn Schläge über den Rücken, aber dann banden die Soldaten ihn los und schleiften ihn zurück in die Zelle. Der Händler weinte vor Glück und küßte die Erde.
Der Stadtkommandant von Annaba wurde durch Funk verständigt. Das war um 11 Uhr nachts. Der Fall ›Pilgerfahrten‹ war mittlerweile hochpolitisch geworden, der Staatspräsident selbst forderte laufend Berichte an. Drei ausländische Zeitungen hatten trotz strengster Nachrichtensperre Wind von der Sache bekommen und berichteten groß über den Skandal in der Wüste.
»Das Ansehen unseres jungen Staates steht auf dem Spiel«, sagte der Minister bei der Besprechung in Algier zu den anwesenden Militärs. »Sklavenhandel im 20.
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