Der Gefangene der Wüste
nicht aus, sondern läßt einen Stolz wachsen wie einen Urwaldbaum.«
»Auch wenn sie an der Hadjar-Krankheit reihenweise krepieren werden –«
»Auch dann! Was Allah macht, ist gut.«
»Aber was ich machen werde, ist besser!« Dr. Bender setzte sich in den Jeep. Was jetzt, dachte er. Die offene Feindschaft Achmeds war ihm unerklärlich. Man hatte ihm erzählt, der Scheich von Bou Akbir sei ein gebildeter Mann, der gerade Reformen gegenüber sehr aufgeschlossen war. Nun erlebte er gerade das Gegenteil … das graue Mittelalter in der Wüste. Warum? Schon als er ins Haus kam, hatte Dr. Bender die Gegnerschaft gespürt. Es war, als knisterte die Luft vor elektrischer Spannung.
»Was raten Sie mir, Cathérine?« fragte er plötzlich.
Cathérine zuckte zusammen. Wie er das sagt, dachte sie. Wie mein Name so ganz anders klingt, wenn er ihn ausspricht. Es ist, als gleite seine Hand über meine Haut, und das ist ein verzauberndes Gefühl.
Sie strich sich mit beiden Händen durch die kurzen, fahlgelben Haare und schürzte die Lippen.
»Wenn Sie zurückfahren, gestehen Sie Ihre Niederlage ein … bleiben Sie, müßten Sie Berge versetzen können, um ans Ziel zu kommen. Suchen Sie eins aus, Doktor.«
»Ich bleibe und fahre rund um die Oase.«
»Und wozu soll das gut sein?«
»Abwarten. Auch ein Seradji Achmed hat Nerven. Nichts regt mehr auf als ein Feind, der nichts tut. Achmed erwartet von mir eine Aktion … aber ich fahre spazieren. Das wird ihn verrückt machen.«
»Nicht übel.« Cathérine sah Dr. Bender von der Seite an, hinter halb gesenkten Lidern. Ihr Herz schlug schneller als sonst; sie spürte ihr Blut wie Sprudelwasser. Welche Dummheit, dachte sie dabei. Welcher Irrsinn, Cathérine. Seit zwei Jahren hältst du die Kerle mit der Pistole von dir fern … und bei diesem Mann merkst du, daß du ein weibliches Herz hast! Gib dem Herz einen Tritt und sag ihm, es soll still sein. Was käme schon dabei heraus? Ein Abenteuer, das eines Tages der Wüstensand zuweht. Eine Liebe, die in der Sonne verdunstet. Verdammt, ich hasse die Männer. Bisher haben sie sich mir gegenüber benommen wie die wilden Tiere …
»Fahren wir –«, sagte Cathérine mit plötzlich rauher Stimme. »Ich bin gespannt, wie das alles ausläuft …«
Und sie meinte es doppelsinnig und blickte dabei auch nach innen, wo es kochte und brodelte wie in einem Dampftopf.
Dr. Bender fuhr mit dem Jeep davon, und Seradji Achmed sah ihm durch die Gartenhecke nach. Er war in großer Erregung. Saada, die bis zur Abfahrt des Arztes eingesperrt bleiben sollte, war verschwunden. Die Diener hatten sie fieberhaft im Haus und im Garten gesucht, um den Befehl des Scheichs auszuführen. Vergeblich. Saada hatte das Haus verlassen, ehe Achmed die Einschließung anordnen konnte.
»Dann bewacht ihn!« schrie Seradji die Diener an. »Laßt ihn nicht aus den Augen! Verhindert, daß ihn Saada sieht! O bei Mohammed – ich hänge euch an den Bärten auf, wenn Saada ihm auch nur von weitem ins Auge blickt!«
Nach zwei Stunden wurde die Sache für Seradji rätselhaft. Seine Diener meldeten ihm, daß der weiße Hakim um die Oase fahre … draußen herum, wo der fruchtbare Boden überging in Geröll und Sandwüste.
»Sein Wagen hüpft durch den Palmenwald wie ein Floh!« sagte einer der Bewacher. »Immer rundherum. Er ist verrückt, Scheich …«
Seradji Achmed wurde unruhig. Was soll das, dachte er angestrengt. Nur ein Irrer fährt um die Oase. Was hat er davon, Bou Akbir zu umkreisen?
Nach drei Stunden noch dasselbe.
Auch nach vier Stunden.
»Er fährt noch immer rundherum«, sagten die Diener. »Einmal hat er schon nachgetankt aus den Kanistern.«
Es war um die Mittagszeit, die Stunden, in denen sich auch in Bou Akbir alles vor der Hitze verkroch, in den kühleren fensterlosen Zimmern der Steinhäuser lag oder in den Gärten zusammenhockte und auf dem Boden eine Art Domino spielte, ein Privileg der Männer, während die Frauen im Haus blieben, als an der zerbröckelnden Mauer eines Gartens ein Mädchen stand und Dr. Bender zuwinkte. Das Mädchen trug ein kurzes, europäisches, weißes Kleidchen mit großem Blumenmuster. Darüber hatte sie einen großen, durchsichtigen Umhang gelegt, der auch die langen schwarzen Haare bedeckte. Dr. Bender bremste sofort.
»Sehen Sie da –«, sagte er. Cathérine nickte mit schmalen Lippen.
»Fahren Sie weiter, Doktor. Es kann eine Falle sein.«
»Wenn das ist, so ist die Falle wenigstens entzückend.«
Über der
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