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Der Gefangene der Wüste

Der Gefangene der Wüste

Titel: Der Gefangene der Wüste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Nasenwurzel Cathérines erschien eine tiefe, steile Falte.
    »Sie will betteln«, sagte sie rauh.
    »Danach sieht sie nicht aus. Sie trägt sogar ein modernes Kleid.« Dr. Bender stieg aus, Cathérine sprang aus dem Jeep wie ein Soldat, der aus dem Hinterhalt beschossen wird.
    »Jetzt erkenne ich sie«, sagte sie heftig atmend. »Es ist Saada. Die Tochter Achmeds.« Sie packte plötzlich den Arm Dr. Benders und hielt ihn fest. »Gehen Sie nicht weiter! Kehren wir zum Wagen zurück. Der Scheich hat uns deutlich gesagt, was er von uns denkt … jetzt ohne seine Erlaubnis mit seiner Tochter zu sprechen, wäre eine grobe Beleidigung. Sie wissen noch nicht, was das in der Wüste bedeutet.«
    »Nicht ich will mit ihr sprechen, sondern sie mit mir. Sie winkt mir ja zu.« Dr. Bender befreite sich aus dem Griff Cathérines. Er sah sie verwundert an, denn ihr Gesicht war gerötet, ihre Brust flog vom schnellen Atmen, und ihre graugrünen Augen sprühten eine nie geahnte Leidenschaft. »Was haben Sie denn, Cathérine?«
    »Ich muß Sie vor Dummheiten bewahren. Kommen Sie zurück …«
    Aber es war zu spät. Das Schicksal, das Saada im Traum gesehen hatte, vollzog sich unaufhaltsam. Saada wehrte sich nicht dagegen, lief nicht mehr vor ihm weg, versteckte sich nicht mehr … es ist so vorbestimmt, dachte sie, ich kann mich verkriechen, wo ich will … er wird mich immer erreichen. Warum soll ich weglaufen, welchen Sinn hätte es? Mein Herz läuft ja mit, ich kann es nicht aus der Brust reißen … und solange mein Herz in mir ist, wird es zittern bei seinem Anblick, wird es jauchzen in seiner Nähe …
    Vier Stunden lang hatte sie an der alten Mauer gesessen und den fremden Mann beobachtet. Wenn er vorbeigefahren war, hatte sie Obst gegessen und sich ins Gras gelegt, in den bleiernen Himmel gestarrt und hinüber zu den Sanddünen, über deren Kämme der ständige Wüstenwind flache Nebel aus weißgoldenem Staub trieb. Kam dann aus der Ferne der Wagen wieder heran, sprang sie auf und versteckte sich hinter dem Stamm einer dicken Palme. Mit großen, schwarzen Augen betrachtete sie den weißen Mann, und das Gefühl in ihr war so selig, daß sie den rauhen Stamm der Palme umschlang und die Rinde küßte. In der fünften Stunde trat sie dann hervor und winkte … Allah wollte es ja so.
    Und dann standen sie sich gegenüber, sahen sich eine Weile stumm an, und es war ihnen, als seien sie keine Fremden, sondern wären sich immer und überall schon begegnet.
    »Ich habe Ihr Gespräch mit meinem Vater gehört«, sagte Saada ohne Einleitung. Ihre Stimme war hell, von einem Ton wie melodisch schwingendes Glas. »Es gibt eine dünne Tür in der Wand, davor hängt ein Seidenvorhang. Ich stand dahinter. Mein Vater ist ein unhöflicher Mann … ich bitte um Entschuldigung, monsieur docteur …«
    »Nicht alle Menschen finden sich gegenseitig sympathisch. Dabei bin ich gekommen, um zu helfen. Wenn es Sie beruhigt, mademoiselle … ich nehme Ihrem Vater nichts übel.«
    »Sie sind Arzt?«
    »Ja. Dr. Ralf Bender.«
    »Welch ein Name.« Sie lächelte, und es war, als blühe eine Rose auf. »Wo kommt er her?«
    »Ich bin aus Deutschland.«
    »Deutschland?« Saadas Blick ging an Dr. Bender vorbei in die Unendlichkeit. »Ist es das Land, wo es weiß regnet?«
    »Ja. Im Winter. Wir nennen es Schnee.«
    »Ich habe davon gelesen. In einem Märchenbuch aus Frankreich. Es war schwer, sich das vorzustellen. Weißer Regen. Da habe ich ihn gemalt … auf schwarzes Papier weiße Tupfen … da erkannte ich es, und es war so schön. Hier sind nur Sand und Sonne –«
    »Ich beginne sie zu lieben.«
    »Sie wollten einen Kranken suchen, docteur?«
    »Ja. Aber Ihr Vater sagt, es gibt keinen.«
    »Er lügt. Der Kranke ist Abdallah ibn Rahman, ein Kesselschmied. Er schreit vor Schmerzen. Dreimal am Tage ist der Hakim bei ihm und gibt ihm Tropfen. Danach schläft er … aber Ali, Abdallahs Sohn, hat gesehen, daß der Hakim ihm einfach mit einem hölzernen Hammer auf den Kopf schlägt, damit er still liegt.«
    »Eine einfache Behandlung.« Dr. Bender wandte sich zu der bisher stillen Cathérine um. Ihr Gesicht war verkniffen und wirkte älter, als sie war. »Ich sage Ihnen, Cathérine, das kann eine Katastrophe geben. Ein Kesselschmied … mein Gott, mit wieviel Personen ist er als Virusträger schon zusammengekommen! Diese idiotischen Selbstmörder!«
    »Nicht schimpfen, docteur.« Saadas Augen glänzten wie poliert. »Ich führe Sie zu Abdallah. Ich habe mit Ali, dem

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