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Der Gefangene der Wüste

Der Gefangene der Wüste

Titel: Der Gefangene der Wüste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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»Der Scheich rief an. Der große Achmed persönlich.«
    »Nein!« riefen Cathérine und de Navrimont wie aus einem Mund.
    »Er entschuldigte sich.«
    »Und Ralf? Was ist mit Ralf?« Cathérine zitterte am ganzen Körper. »Bringen sie ihn zurück?«
    »Das ist ja das Verrückte!« Serrat begann laut zu lachen. Entgeistert und verständnislos starrten ihn die anderen an. »Unser lieber guter Doktor ist der Gast des Scheichs. Sitzt auf seidenen Kissen und schlürft Kaffee und knabbert Honiggebäck. Wie er's fertiggekriegt hat … Leute, das ist mir ein Rätsel. Wer weiß, was er dem Alten geboten hat! Jedenfalls hat er um Saadas Hand angehalten, und Achmed hat ihn nicht geköpft, sondern umarmt. Jetzt sitzen Bräutigam und Bräutchen beisammen und halten Händchen –«
    Das Gesicht Cathérines war bleich geworden wie die sonnenweißen Wände der Oasenhäuser. »Das ist nicht wahr …«, stotterte sie. »Das ist nicht wahr! Nie! Nie!«
    »Geh hin und sieh es dir an.« Serrat war seiner Sache so sicher, daß er großzügig winkte. »Jetzt kannst du dir einen Jeep nehmen und hinfahren. Aber vergiß die Blümchen nicht zur Gratulation –«
    Cathérine senkte den Kopf. Und sie zeigte keinerlei Regung, als ihr Serrat sogar die Pistole wiedergab. Er legte sie auf den Tisch, allerdings noch ohne Magazin.
    »Laßt mich allein …«, sagte sie leise. Ihre Stimme klang wie gebrochenes Glas. »Bitte, laßt mich jetzt allein …«
    Alain de Navrimont und Serrat nickten sich zu und verließen das Zimmer. Als die Türe zuklappte, warf sich Cathérine über das Bett und biß in die Decke. Sie schrie … in das Bett hinein und strampelte wild mit den Beinen, und dann lag sie still und drehte sich auf den Rücken und sah gegen die gekalkte Holzdecke.
    Soll ich weiterleben, dachte sie. Kann ich weiteratmen nach diesem Verrat? Lohnt sich überhaupt noch ein einziger Atemzug? Was bin ich denn? Eine Frau von Dreißig, die von der Wüste ausgedörrt wird. Eine Frau ohne Zukunft. Eine Frau, die einmal der Sandwind zuweht. Das Leben hat allen Sinn verloren … schon seit Jahren … seit jenem Tag, an dem Roger mit unserem Kind vom Kirchturm von Nantes hinuntersprang. Er war wahnsinnig, und keiner hat es gemerkt, am allerwenigsten ich. Und jetzt ist auch das neue Leben dahin … verwelkt schon im Samen.
    Warum leben?
    Sie lag steif, wie gelähmt, und grübelte. Und je länger sie über ihr Leben nachdachte, um so weniger gönnte sie Saada und Dr. Bender ihr Glück.
    Wir werden alle zugrunde gehen, dachte sie. Gemeinsam. Saada, Ralf und ich. Mit einem einzigen Schlag. In einem Feuerwerk der Rache.
    Und sie nahm sich vor, morgen aus dem Magazin einen Kasten Sprengstoff zu stehlen, nach Bou Abkir zu fahren und sich, zusammen mit Bender und Saada, in die Luft zu jagen.
    Das war ein herrlicher Gedanke, ihr Herz zuckte in Verzückung, und so schlief sie endlich ein, eingehüllt in den schwarzen Triumph des Grauens.
    Der Hubschrauber aus Ouargla landete am frühen Morgen im Camp XI. Die Sonne war gerade aus dem Sand gestiegen, die Kühle der Nacht glitt noch über die Wüste.
    Ingenieur de Navrimont staunte nicht schlecht, als Pierre Serrat mit Saada aus dem Bau kam und sie ohne weitere Erklärungen in den Hubschrauber hob. Sie hatte kein Gepäck bei sich, und das war auch nicht nötig, denn wohin Serrat sie bringen wollte, brauchte sie keine Koffer. Er selbst hatte nur eine alte Reisetasche aus Segeltuch bei sich, an den Ecken mit abgeschabtem Leder verstärkt … sein altes Legionärsgepäck. Es hatte Indochina gesehen und die Schluchten der Kabylei, Sidi-bel-Abbès und Saigon. Es war das letzte Überbleibsel aus Serrats früherem Leben.
    »Was soll das?« sagte de Navrimont, bevor er Saada nachkletterte. »Pierre, das haut mich um! Erklären Sie mir das!« Wenn er amtlich wurde, nannte er sogar Serrat ›Sie‹. »Das gibt die tollsten Schwierigkeiten!«
    »Keine Sorge, Chef.« Serrat grinste und drückte de Navrimont unter dem Gesäß in das Flugzeug. »Es hat alles seine Ordnung. Damit haben Sie gar nichts zu tun! Vergessen Sie das.«
    De Navrimont knurrte, setzte sich auf seinen Sitz, schnallte sich an und stopfte sich Watte in die Ohren. Das Gebrüll der Rotorflügel war ihm zuwider. Seine Nerven waren vom Alkohol zerstört.
    »Ist alles gut gegangen?« fragte Saada, als Serrat neben ihr saß. Sie schrie ihm ins Ohr, und er nickte.
    »Alles, Wüstenkätzchen.«
    »Und der Doktor?«
    »Ist schon in Algier. Hat vor einer Stunde angerufen.

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