Der Gefangene der Wüste
Liebesgeschichte zwischen ihr und dem schwedischen Chauffeur Rochelles, einem Mann, der Cathérine erst zeigte, was Liebe ist, nachdem sie in den kraftlosen Armen des alten Rochelle drei Jahre lang ausgehalten hatte und sich drei Jahre vorkam wie ein Stück Steak, das er zwischen elf und zwölf Uhr nachts verzehrte, pünktlich wie die Uhr fast … jede Nacht, eine Pflichtübung gewissermaßen, eine natürliche Schlaftablette, denn hinterher schlief Rochelle traumlos und kindhaft bis zum späten Morgen.
Dann die Entdeckung, der Hinauswurf wie ein Hund, die gerichtliche Zuerkennung des Kindes an den Vater, der Tod Svens, der nie geklärt wurde, denn gerade er, der Mann, der Autos liebte wie Frauen, wurde überfahren, an einem Abend in einem Vorort von Paris, wo nachweislich in dieser Stunde nur vier Autos durch die Straße fuhren. Eines packte ihn und schleuderte ihn gegen die Hauswand. Der Fahrer flüchtete … Es war ein Algerier, sagten die Augenzeugen. Kein Zweifel … er sah so aus, man kennt ja die Typen.
Cathérine ging nach Algerien. Sie nannte sich Petit. Und sie schwor sich, nie mehr einem Mann zu gehören. Deshalb ging sie zu den Männern, dorthin, wo die Sehnsucht nach Frauen am stärksten war, – zu den Ölbohrern in die Sahara. Sie wollte sich selbst kasteien. Sie wollte sich bestrafen. Und sie wollte die Männer hassen lernen, dort, wo sie keine Maske mehr trugen von Zivilisation und Moral. In der Wüste.
Und dann kam Dr. Bender. Und die Welt veränderte sich wieder. Sie wurde schön und duftete nach Frühling. Und es gab wieder eine Zukunft, und es gab ein Gefühl, das alles andere überspülte. Selbst die Erinnerung an Louis, ihren Sohn.
Ein anderes Leben, dachte sie. Ein neues Leben. Ganz neu …
Jetzt lag sie im Gras hinter einem Malvenbusch, in den Händen die zu Rollen gepackten zwei Pfund Dynamit. Das war alles, was ihr von dem neuen Leben geblieben war. Und sie wußte nun eines ganz sicher: Es lohnte sich nicht, zu leben. Es lohnte sich nur noch das Chaos.
Sie wartete, bis sie glaubte, ungesehen zu sein. Zwei Diener hatten den Garten verlassen, nachdem sie im Hintergrund, bei den Garagen, eine kleine Tür geöffnet hatten, die Cathérine aber nicht weiter beachtete. Dann lag der weite Garten still und verträumt unter der sengenden Sonne. Nur der artesische Brunnen bei den Rosenbeeten plätscherte.
Cathérine richtete sich auf, nahm das Dynamit und ging schnell an die Hauswand. Sie fand in der Mitte des Hauses eine Tür, die unverschlossen war und in der Geräte für die Gartenarbeit aufgehoben wurden. Hier baute sie fachmännisch, wie sie es von den Mineuren der Ölbohrer gesehen hatte, die Päckchen an die Wand, legte die Zündschnüre, verknotete sie zu einem Strang und führte ihn wieder hinaus in den Garten. Dann schloß sie die Tür und erinnerte sich daran, daß eine Explosion in einem geschlossenen Raum um vieles größer ist als im Freien.
Sie legte die Zündschnur auf den Rasen, bückte sich und suchte in den Taschen nach den Zündhölzern.
In diesem Augenblick öffnete sich die kleine Tür bei den Garagen vollends, und eine große, gefleckte Katze trat heraus. Es war ein herrlicher Gepard, langbeinig, voll sehniger Kraft, den kleinen runden Kopf mit der schwarzen Strichmaske vorgestreckt. Er witterte sofort den Menschen, den fremden Geruch, der nicht in dieses Haus gehörte, duckte sich etwas und peitschte mit dem langen Schwanz die Erde. Ganz langsam, als gähne er, öffnete er den Fang, und die rote Zunge glitt zwischen den langen weißen Zähnen hervor. Mißtrauisch belauerten die kleinen, schwarzen Augen die fremde Gestalt am Haus. Das alles geschah lautlos, ohne große Bewegung.
Cathérine hatte die Zündhölzer gefunden und schob die Schachtel auf. Der Gepard senkte den Kopf tiefer und begann, lautlos wie vorher, federnd wie bei der Aufhebung der Schwerkraft, auf Cathérine zuzulaufen. Er schlug einen Bogen, kam von hinten auf sie zu, betrachtete, drei Meter von ihr entfernt, ihren gebeugten Rücken und hob lautlos noch einmal den Kopf, um die Witterung einzusaugen.
Ein fremder Geruch, ein böser Geruch.
Der Gepard sagte es deutlich … ein dumpfes Grollen brach aus seiner Kehle.
Cathérine, die gerade ein Streichholz angestrichen hatte, fuhr herum. Sie verlor dabei das Gleichgewicht, fiel auf den Rücken und starrte auf das Tier, das gleichzeitig mit ihrem Fallen einen Satz machte und neben ihr auf dem Rasen landete. Das Gebiß mit den spitzen Reißzähnen
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