Der Gefangene der Wüste
wird man euch abschlagen –«
»Ist das wahr?« fragte Hadschar verblüfft.
»Keiner schlägt uns den Kopf ab«, sagte Jussuf gleichgültig.
»Ach was … daß sie eine Scheichtochter ist.«
»Ja, das stimmt.«
»Und wie kommst du an sie?«
»Ich habe sie auch gekauft. Von einem Weißen!«
»O Allah!« Hadschar schlug die Hände zusammen und ging um Saada herum. Er musterte sie wie ein junges, noch nicht eingerittenes, eben von den Weiden gefangenes Pferd, bei dem es gefährlich war, zu nahe heranzutreten. »Das wäre eine Sensation. Es tanzt die Tochter des Scheichs! Es liebt die Tochter des Scheichs! Das kostet hundert Dinare extra! Das bringt Dollars ins Haus. Pfunde, Gulden, Deutsche Mark, Rubel …«
»Ich weiß es, Ali.« Jussuf lächelte mild. »Deshalb der Preis.«
»Zwanzigtausend«, rief Hadschar. »In Dollars!«
»Ich handle nicht.« Jussuf nahm die Bluse aus dem Sand und warf sie Saada zu. Sie drückte die Stoffetzen gegen ihre prallen Brüste. »Geh zurück in den Wagen –«
»Halt!« Hadschar hob die Hand. Er rannte vor Jussuf hin und her und schien innerlich wie eine Rechenmaschine zu ticken. Dreißigtausend Francs … wie lange dauert es, bis sie sich amortisiert hat? Wie viele Liebhaber muß sie haben, ehe ein einziger Franc Verdienst herauskommt?
»Du bist ein Gauner!« sagte Hadschar und blieb vor Jussuf stehen. »Du ruinierst mich.«
»Es zwingt dich keiner, sie zu kaufen.«
»Und wem bietest du sie nachher an?«
»Vielleicht Omar ben Sarret.«
Hadschar wurde blaß und rollte die dicken Augen. Sarret, das war ein Name, den er nur mit Flüchen aussprach. Vor drei Jahren noch war Hadschar der König aller Barbesitzer von Annaba. Es gab kein schöneres Lokal als seines, und es gab keine schöneren Mädchen als in den Hinterzimmern von Ali Hadschar. Man wußte das von Marokko bis Ägypten. Aber dann tauchte Sarret auf. Jung, voll Unternehmergeist, geschult in Paris. Ein Mensch mit Ideen. Und in drei Jahren verlor Hadschar seine Alleinherrschaft. Das neue Lokal Sarrets, ›Erosrama‹ – eine Breitwandausgabe von Musik, Tanz, entblößten Körpern, jungen, gut geschulten Dirnen und einem Spielsalon, wo man Frauen gewinnen konnte – wurde ebenso berühmt wie Hadschars ›Sahara-Club‹. Seit dieser Tatsache war der Name Sarret für Hadschar wie Gift. Er ließ sein Herz hämmern wie eine alte Wasserpumpe.
»Ich kaufe sie«, sagte er rauh. »Aber es ist mein letztes Geschäft mir dir.« Sie gingen zusammen zu Hadschars Wagen, und dort zählten sie einträchtig die Geldbündel ab, die Hadschar aus einer ledernen Tasche nahm. »Der Teufel hole dich«, sagte er zum Abschied. Aber Jussuf schüttelte lächelnd den Kopf und streckte den Arm nach Saada aus.
»Du mußt ihn holen, Ali! Ich habe noch andere Geschäfte.«
An diesem Nachmittag verkaufte Jussuf dreißig Mädchen. Es waren die hübschesten und jüngsten, keine älter als zwanzig Jahre. Ihr Schicksal stand ab jetzt fest: Solange sie ihre Herren reizen konnten, hatten sie ein erträgliches Leben, märchenhaft gegen das Leben in den einsamen Bergdörfern, aus denen sie kamen. Was in zehn Jahren oder schon früher sein würde, wenn ihre Liebe nicht mehr die Herren erglühen ließ, daran dachte jetzt niemand. Die Wege des Menschen hat Allah bestimmt … was hilft es, sich darüber Gedanken zu machen? Vorbestimmung ist alles … auch der Verkauf in das Bett eines reichen Mannes.
Hadschar betrachtete Saada aus sicherer Entfernung wie einen jungen Hengst, der gleich die Hufe hebt. In Annaba war es einfach, sie zu bändigen, aber hier, unter den Augen der anderen Freunde, mußte man ein Beispiel von strenger Güte geben.
Hadschar versuchte es zunächst mit Verhandeln.
»Komm mit!« sagte er. »Ich bin jetzt dein Herr. Du weißt, was das bedeutet. Ich kann mit dir tun, was ich will. Du bist mein Eigentum wie ein Stuhl, ein Teppich, ein Stück Holz … Komm mit –«
Saada antwortete nicht. Sie saß in der offenen Tür des weißen Cadillac und starrte in den heißen Sand. Hadschar kam noch einen Schritt näher, vorsichtig, wie man sich einem Raubtier nähert.
»Ich verspreche dir ein eigenes Zimmer und 10% vom Umsatz«, sagte er. »Das habe ich noch nie einer Frau angeboten! Was willst du mehr?«
»Geh weg, du Haufen Kamelmist!« sagte Saada laut.
Hadschar schluckte ein paarmal und streichelte nervös seine Glatze.
»Ich glaube, du verkennst die Situation«, sagte er und zwang sich, ruhig zu bleiben. Er wußte, daß Jussuf ihn
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