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Der Gefangene der Wüste

Der Gefangene der Wüste

Titel: Der Gefangene der Wüste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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ihm jetzt unmöglich.
    Er fuhr eine Viertelstunde und hatte die Abzweigung nach Bou Akbir bereits in einer Rekordzeit erreicht, als er entsetzt in die Ferne blickte. Dort wurde der Himmel gelb und bleich und bewegte sich wie in Wellen. Die Sonne verlor allen Glanz und war wie eine polierte Scheibe, die durch Watte leuchtete.
    Molnar kannte dieses Naturphänomen … es war gleichbedeutend mit einem zeitlich begrenzten Weltuntergang. Wer jahrelang in der Wüste gelebt hat, beginnt bei dieser Himmelserscheinung sofort mit seiner Sicherheit. Er verkriecht sich, verstopft alle Ritzen, bringt Tiere und Fahrzeuge unter Dach und beginnt zu warten und zu hoffen.
    Der Sandsturm.
    Aus dem Nichts kommend. Eine heulende, wirbelnde Wand aus Sand, die alles unter sich begräbt. Eine Hölle aus winzigen, harten Körnchen. Ein Ersticken im Staub.
    Molnar starrte auf die heranbrausende Wand und gab Vollgas. Er wußte, daß es sinnlos war, davonzulaufen … der Sturm holte ihn ein, und wenn's in Bou Akbir selbst war. Der Sturm aber würde auf jeden Fall verhindern, daß Dr. Bender nach Camp XI gebracht wurde, selbst, wenn Molnar ihn finden würde.
    Molnar heulte wie ein junger Hund, als ihm das klarwurde. Der Tod Cathérines war unaufhaltsam. Die Wüste selbst verhinderte ihre Rettung … sie deckte das Leichentuch aus Sand über sie.
    »Ich hasse dich, Gott!« schrie Molnar in den noch blauen Himmel über sich. »Ich hasse dich! Aber ich werde dich lieben und nach Lourdes pilgern, wenn du Cathérine leben läßt –«
    An diesem Tag war Gott anscheinend zum Handeln nicht bereit.
    Er ließ den kleinen Molnar vom Sandsturm überrollen.
    Brüllend fielen die wirbelnden Gebirge über ihn herein, fegten den Jeep von der Piste in die Dünen, hoben den Ungarn in die Höhe und rollten ihn vor sich her wie einen Ball.
    Um 16 Uhr 24 erreichte der Sandsturm das Lager XI. Er deckte zwei Hallen ab und begrub die Baracken einen Meter hoch im Sand.
    Um 16 Uhr 59 bogen sich die Palmen von Bou Akbir. Die Menschen rannten schreiend in ihre Häuser. Sie zogen das Vieh hinter sich her, verrammelten die Türen und beteten zu Allah. Der alte Kebir, der Priester, sang mit zitternder Stimme die Suren der Gnade. Er lag mit Achmed in dessen Haus auf dem Gebetsteppich und wagte nicht den Kopf zu heben.
    Wie tot lag die Oase im Vorbotenwind des Sandsturmes. Selbst die Katzen verkrochen sich in Löcher und unter Steinen. Die Geier auf den Hausdächern und Palmen steckten die nackten Köpfe unter die Flügel. Alles Lebende hielt den Atem an.
    Nur ein Mensch ging langsam, die Hände in den Hosentaschen, durch die ausgestorbene Oase.
    Dr. Bender.
    Er wußte, was da in wenigen Minuten über ihn herfallen würde, aber er fürchtete es nicht. Die Häuser waren ihm verschlossen, niemand kümmerte sich um ihn, er war ein Ausgestoßener, dem der Tod eine Erlösung sein sollte.
    Als die Palmen im Wind zu jammern begannen und die ersten Sandstrahlen sein Gesicht peitschten, legte er sich an einer Gartenmauer auf die Erde, zog das Hemd, das er in einem Brunnen naß gemacht hatte, über den Kopf, stopfte einen Zipfel des tropfnassen Stoffes zwischen die Lippen und schützte seinen Nacken mit einer alten, zerrissenen Matte, die er aus dem Wind fischte, als sie an ihm vorüberwirbelte.
    So lag er auf der Erde, armseliger als jeder wilde Hund, und drückte sich an die Gartenmauer.
    Und dann war der Sandsturm da, brüllend und heulend, eine Faust aus wirbelnden Körnern, die alles niederpreßte.
    Dr. Bender hob einmal den Kopf und ließ ihn sofort wieder sinken.
    Die Welt geht unter, dachte er. Meine Lungen füllen sich mit Sand. Ich spüre es … jeder Atemzug ist ein widerliches Knirschen.
    Er biß auf den nassen Zipfel seines Hemdes und preßte das Gesicht dicht an die Gartenmauer.
    Über seinem Körper häufte sich ein Hügel aus Sand.
    Ali ben Achmed lag auf seinem Gebetsteppich, die Stirn auf den Boden gedrückt, die Hände flach daneben und betete leise. Sein Kopf zeigte nach Osten, nach Mekka, zum Platz, wo Mohammed die Worte Allahs verkündet hatte. Um sein Haus tobte der Sandsturm, heulte der Wind, wirbelten die staubfeinen Körner durch jede Ritze, knirschten die Wände im Druck der Orkanwellen und bebte das Dach in den Verankerungen. Er hörte, wie sein herrlicher Garten unterging in diesem Toben der Natur … die Palmen wurden aus der Erde gerissen, der gepflegte Rasen wurde zur Wüste, die Brunnen versandeten, die Blütenbüsche verdorrten in Minutenschnelle im

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