Der Gefangene der Wüste
leuchtete.
Nur eine Sekunde starrten sich Mensch und Tier an, dann wußten sie, daß sie sich vernichten mußten. Gleichzeitig schnellten sie vor …
Der Gepard mit offenem Fang, Cathérine ohne Waffen, nur mit ihren Fäusten, denn an ihre Pistole kam sie nicht mehr. Das Aufeinanderprallen geschah zu schnell.
Beide Fäuste stieß sie dem Gepard in das Maul, zwischen die Zähne, die blutige Rinnen auf ihren Handrücken rissen. Die Riesenkatze brüllte auf und hieb beide Tatzen in Cathérines Schulter, riß Stücke von Fleisch heraus und versuchte, sich über sie zu wälzen. Der wahnsinnige Schmerz zerriß in Cathérine alle Sehnsucht nach dem Tod, nach dem ersehnten Ende eines Lebens, das sie als verpfuscht ansah. Dieser Schmerz war so groß und allgewaltig, daß der Trieb, zu siegen und zu leben, größer war als alles andere.
Sie schrie ebenfalls auf, trat dem Tier gegen den Bauch, bohrte ihre Fäuste bis tief in den heißen, keuchenden Schlund des Gepards, ergriff dort etwas, es mußte die Zunge sein, und riß daran … zu einem Knäuel aus Schreien und Blut geworden, wälzten sie sich über den Rasen, ineinander verkrallt, verbissen und ohne Hoffnung, jemals wieder voneinander loszukommen.
Die Fäuste Cathérines im Maul des Tieres nahmen ihm die Luft. Wie zwei Hämmer rammte sie die Fäuste in die Kehle, die Beine der Riesenkatze zuckten und schlugen neue Wunden in den Körper Cathérines, aber sie ertrug es, sie sah, wie sie stärker war, daß selbst ein Raubtier ihr nicht gewachsen war, und das erfüllte sie mit einer solchen Kraft, daß sie sich über den Gepard wälzte, ihn auf den Rücken drückte und seinen Kopf, der wie festgeschmiedet an ihren Armen hing, mit aller Wucht auf die Erde schlug und mit jedem Hieb ihre Fäuste tiefer in die Kehle trieb.
So blieb sie liegen, bis der Gepard erstickt war. Ihr Blut floß aus den beiden Schulterwunden über die Katze, aber sie spürte den Schmerz jetzt nicht mehr. Fasziniert starrte sie in die Augen des Raubtieres, sah in ihnen die Todesangst, sah das Ende kommen, den großen ewigen Schatten, das Vergehen des Denkens, das Brechen der Klarheit, die Dumpfheit des Todes. Noch einmal trieb sie mit einem wilden Stoß ihre Fäuste in den Schlund, verriegelte die Lungen, und noch einmal bäumte sich der Gepard auf, hieb mit allen vieren auf sie ein, ehe er sich streckte und verendete.
Ganz langsam zog Cathérine ihre Arme und Fäuste aus dem Maul des Raubtieres, kniete neben ihm und blickte es an. Dann erhob sie sich, wandte sich zurück zum Haus und sah Ali ben Achmed auf dem Balkon von Saadas Zimmer stehen, mit weiten, ungläubigen Augen. Vier Diener standen abseits, in sicherer Entfernung, Netze und Stangen in den Händen.
»Du hast Sithra getötet?« fragte Achmed. Seine Stimme schwamm zu Cathérine hin wie ein fernes Rauschen. »Mit den bloßen Händen … o Allah, was bist du für eine Frau –«
Cathérine schwankte mit leeren Augen auf die Diener zu. Sie machten Platz, ließen sie vorbeigehen, öffneten das Tor zur Straße und schlossen es wieder hinter ihr.
Aus Wunden am ganzen Körper blutend, ging sie zu ihrem Jeep, setzte sich ans Steuer und fuhr zurück zum Camp XI. Eine ungeheure Willenskraft hielt sie aufrecht, ließ sie das Steuer des Wagens umklammern, die Mitte der Wüstenstraße einhalten und das Lager erreichen.
Wie ein Gespenst stieg sie aus, ging mit steifen Beinen in die Sanitätsbaracke und riß sich im Behandlungszimmer die Fetzen ihrer Kleidung vom Leib. Nackt, zerrissen von den Gepardpranken, blutüberströmt, wankte sie zum Schrank, in dem das Verbandsmaterial lag.
Molnar, der in seiner Schreibstube ein Geräusch gehört hatte, streckte den Kopf in das Zimmer und wollte fragen: »Na, wieder zurück, Cathérine?« als er den nackten, blutenden Körper herumschwanken sah.
Molnar zögerte nicht lange. Er rannte zurück und zog an der Katastrophensirene. Grell heulte sie los und riß die Männer von den Baustellen herum. Auch Ingenieur de Navrimont fuhr aus dem Bett. Ein neuer Ölbrand, jagte es durch seinen Kopf. Kaum wieder hier aus Ouargla, geht der Mist los! Jetzt fliegt Brennot wieder ein, der Amerikaner muß löschen, es gibt lange Berichte, Militär sucht die Gegend nach den Saboteuren ab … o verflucht, warum hat man nicht den ersten, der das Öl entdeckte, einfach aufgehängt?!
Er zog sich an und rannte zu Molnar. Aber der war nicht im Büro. Der nächste Weg ist immer zu Cathérine, wenn etwas nicht stimmt … de Navrimont
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