Der Gefangene von Zhamanak
in angestrengte Denkfalten. »Ungefähr hundertsiebzig.«
»Ich glaube, das können wir aufbringen, wenngleich wir dann ein bisschen knapp bei Kasse sein werden.« Mjipa löste seinen Geldgürtel und zählte Zehn-Kard-Goldstücke auf den Tisch, bis der Betrag erreicht war. »Könnte ich bitte eine Quittung haben, Eure Hoheit?«
Mjipa und Alicia eilten zurück. Alicia sagte: »Jetzt dürfte eigentlich alles glatt gehen; das Schiff läuft lange vor dem Gerichtstermin aus.«
»Glatt? Ja, falls die Regierung nicht Wind davon bekommt, dass wir abhauen wollen, und falls sie keine Kontrollposten auf den Kai stellt.«
»Der Minister scheint uns ganz wohlgesonnen zu sein. Man konnte den Eindruck haben, dass er sich regelrecht wünscht, dass wir die Kaution sausen lassen und uns aus dem Staub machen.«
»Schon möglich. Aber der Heshvavu könnte andere Vorstellungen haben. Die Politik in einer Autokratie ist oft unberechenbaren Schwankungen und Stimmungsumschwüngen unterworfen. Und außerdem kann uns noch immer passieren, dass Khoroshs Gorillatrupp uns vorher einkassiert. Uns zu finden, dürfte kein Problem für sie sein. Verar braucht bloß eine Botschaft zu schicken: ›Ich habe sie hier in Kalwm aufgespürt. Schick das Rollkommando, und ich führe sie zu ihrem Schlupfwinkel.«
»Ach du lieber Gott!« entfuhr es Alicia. »Und was machen wir dann?«
»Irgendwas wird uns schon einfallen. Und dann habe ich da noch immer eine Ehrenschuld gegenüber Doktor Isayin zu begleichen.«
»Was meinst du damit? Hoffentlich nicht irgendwas, das uns alle in die Patsche bringt.«
»Warts ab, mein Fräulein!«
»Du hast doch nicht etwa die Absicht, ihn rauszuhauen …«
»Das ist ganz allein mein Bier! Je weniger du davon weißt, desto besser. Wenn ich es wirklich tue, dann sorge ich dafür, dass ihr schon auf dem Schiff seid, wenn die Sache steigt, und nicht mit reingezogen werdet.«
»O Percy, du mit deinen hanebüchenen Ideen von Ehre und Ritterlichkeit! Wir werden von Glück reden können, wenn wir selbst mit heiler Haut davonkommen! Hast du denn überhaupt keinen Grips in deinem Schädel?«
»Du hast allen Grund, fein ruhig zu sein. Immerhin säße der arme Isayin jetzt nicht in der Tinte, wenn du ihm nicht den Floh mit der runden Welt ins Ohr gesetzt hättest.«
»Aber er hatte sowieso schon so eine Vermutung. Ich habe ihm lediglich bestätigt …«
»Wenn du dein kleines rosiges Schnäuzchen gehalten hättest, dann hättest du nach Herzenslust deine Forschungen betreiben können, soviel du gewollt hättest, und zwar direkt hier in Kalwm.«
»Ach, du bist unmöglich! Das ist noch lange kein Grund, das kostbare Leben von zwei Terranern aufs Spiel zu setzen …«
»Ach nee, unser Leben ist also mehr wert als das von einem armen, dummen Eingeborenen? Und wer wirft mir pausenlos vor, ich würde geringschätzig auf diese armen Teufel herabblicken?«
Der Streit eskalierte zu einem Brüllduell, das jäh damit endete, dass Alicia in ihre Kammer rannte und die Tür hinter sich zuknallte. Den Rest des Tages sprachen die beiden nicht mehr miteinander.
6
Heuchelei
A m nächsten Morgen, am Frühstückstisch, sagte Alicia: »Percy, es tut mir leid, dass ich gestern aus der Haut gefahren bin und Dinge gesagt habe, die ich nicht so gemeint habe.«
»Sieh an! Aber mir tut’s auch leid, dass ich so ausgeflippt bin. Reden wir nicht mehr darüber; wir haben heute früh was zu erledigen.«
»So? Und was?«
»Ich werde versuchen, den Phathvum zu beknien, dass er mir erlaubt, Isayin in seiner Zelle zu besuchen.«
»Oh, Percy, versuch nicht, den Scarlet Pimpernel zu spielen! Wenn sie dich dabei erwischen, was wird dann aus mir?«
»Du hast deine Koje auf der Tarvezid, und du bist erfahren genug, dich allein durchzuschlagen.«
»Und was soll ich tun, während du Chanapar Honig um den Bart schmierst?«
»Ach, du kommst ganz einfach mit! Du kannst ein bisschen was von deinem weiblichen Charme auf den Minister einwirken lassen.«
»Weiblicher Charme!« echote sie naserümpfend. »Auch so ein heuchlerischer Nonsens, den die Männer den Frauen eingetrichtert haben, weil sie selbst nicht stark genug sind, das, was sie kriegen wollen, mit Gewalt zu kriegen. Das ist unfair!«
»Trotzdem, mein Täubchen, dann wirst du es eben lernen müssen. Unser Leben kann davon abhängen. Und war es nicht irgendein amerikanischer Politiker, der gesagt hat, das Leben wäre ungerecht?«
Nach einer Pause des Schweigens sagte Alicia:
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