Der Gefangene
Schuld oder die Bemessung des Strafmaßes wesentlich sind, wobei unerheblich ist, ob die Anklage in gutem Glauben oder in schlechtem Glauben handelt«.
Den Ermittlern stehen sämtliche Ressourcen zur Verfügung. Häufig finden sie Zeugen oder andere Beweise, die einen Verdächtigen oder Angeklagten entlasten. Jahrzehntelang konnten sie dieses entlastende Beweismaterial ignorieren und einfach Anklage erheben. Die Entscheidung im Fall Brady stellte die Chancengleichheit wieder her und wurde sofort in die Strafprozessordnung aufgenommen. Ein »Brady-Gesuch« gehört zu den Standardanträgen, die ein Strafverteidiger ganz zu Beginn eines Falls stellt. Ein »Brady-Antrag«. Eine »Brady-Anhörung«. »Brady-Material«. »Ich habe ihn mit Brady festgenagelt.« Der Fall hatte Eingang gefunden in die Sprache von Juristen, die auf dem Gebiet des Strafrechts tätig waren.
Barney stand vor Richter Jones, während Rogers noch im Zeugenstand saß und Peterson angestrengt auf seine Schuhe starrte. Ihm war klar, dass ein eindeutiger Verstoß gegen Brady vorlag, und er beantragte den Freispruch aus Verfahrensgründen, was jedoch zurückgewiesen wurde. Richter Jones kündigte an, eine Anhörung zu der Angelegenheit abhalten zu wollen - nach Prozessende!
Es war schon spät an diesem Freitag, und alle waren müde. Richter Jones vertagte die Verhandlung auf Montagmorgen, 8:30 Uhr. Ron wurden Handschellen angelegt, dann wurde er, umringt von Wärtern, aus dem Gerichtssaal gebracht. Bis jetzt hatte er sich ruhig verhalten, was nicht unbeachtet geblieben war.
Am Sonntag trug die Titelseite der Ada Evening News folgende Schlagzeile: »Williamson am ersten Prozesstag ruhig und beherrscht.«
Der erste Zeuge am Montag war Dr. Fred Jordan, der zum dritten Mal im Zeugenstand saß und detailliert die Autopsie und die Todesursache erläuterte. Und Peggy Stillwell musste es sich zum dritten Mal anhören, was es ihr mit Sicherheit nicht leichter machte. Zum Glück blieben ihr die Fotos erspart, die der Jury vorgelegt wurden. Doch sie konnte die Reaktion der Geschworenen sehen, und das war schon mehr als genug. Auf Dr. Jordan folgten Tony Vick, der Nachbar, Donna Walker, die Angestellte des kleinen Supermarkts, und Letha Caldwell, Rons Bekannte. Die Aussagen der drei Zeugen waren genauso nutzlos wie schon im Prozess gegen Fritz.
Als Terri Holland in den Zeugenstand gerufen wurde, heizte sich die Stimmung auf. In der Voruntersuchung hatte sie ihre frei erfundenen Geschichten erzählen können, ohne Gefahr zu laufen, von jemandem dabei erwischt zu werden. Doch jetzt, im gleichen Raum mit Ron, der sie böse anstarrte und wusste, dass sie log, war das anders. Holland fing mit ihren Märchen an und erzählte von Äußerungen Rons, die dieser angeblich im Gefängnis über Debbie Carter gemacht hatte. Ron war kurz davor, die Beherrschung zu verlieren. Er schüttelte den Kopf, presste die Kiefer aufeinander und starrte Holland böse an, als wollte er sie gleich umbringen. Schließlich sagte sie: »Er hat gesagt, wenn sie ihm ein bisschen entgegengekommen und mit ihm ausgegangen wäre, hätte er sie nicht töten müssen.«
»Oh«, sagte Ron laut.
Nancy Shew fragte die Zeugin: »Haben Sie einmal ein Telefongespräch mit angehört, das etwas mit Debbie Carter zu tun hatte?«
Holland: »Ich durfte wegen guter Führung in der Wäscherei arbeiten. Ron war am Telefon und hat mit seiner Mutter gesprochen, und er hat zu seiner Mutter gesagt... er versuchte, sie dazu zu überreden, ihm Zigaretten oder irgendetwas anderes mitzubringen. Ich weiß nicht genau, was er haben wollte, aber sie ... er hat sie angebrüllt. Und er hat zu ihr gesagt, wenn sie das nicht tut, wird er sie töten, so, wie er Debbie Carter getötet hat.«
Daraufhin schrie Ron: »Sie lügt!«
Nancy Shew fuhr fort: »Miss Holland, haben Sie jemals gehört, wie er über Details von Debbie Carters Tod gesprochen oder diese beschrieben hat?«
Holland: »Er hat gesagt ... ich glaube, es war in der Gemeinschaftszelle, bei den Jungs dort, dass er ... er hat gesagt, dass er ihr eine Colaflasche in den Hintern gerammt und ihr ihren Slip in den Mund gestopft hat.«
Ron sprang auf, deutete auf die Zeugin und brüllte: »Sie lügen! So etwa habe ich nie in meinem Leben gesagt! Ich habe das Mädchen nicht getötet, und Sie sind eine Lügnerin!«
Barney: »Ron, halten Sie den Mund.«
Ron: »Ich kenne Sie ja nicht einmal. Dafür werden Sie bezahlen.«
Den Anwesenden stockte der Atem. Barney stand
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