Der Gefangene
Richter Jones wegen Missachtung des Gerichts verurteilt zu werden, aber was spielte das schon für eine Rolle? Gore hatte sowieso vierzig Jahre abzusitzen. Die Gründe für seine Aussageverweigerung waren nicht ganz klar, aber vielleicht lag es daran, dass er jetzt im Staatsgefängnis einsaß, wo man nicht viel von Denunzianten und Spitzeln hielt, ganz im Gegensatz zum Gefängnis von Pontotoc County, wo es fast schon an der Tagesordnung war, seine Mitgefangenen zu verpfeifen.
Nach ein paar Momenten der Verwirrung entschied Richter Jones, dass den Geschworenen Gores Aussage aus der Voruntersuchung vom Juli vergangenen Jahres vorgelesen werden sollte. So wurde es dann auch gemacht, und obwohl die Wirkung etwas zu wünschen übrig ließ, hörte sich die Jury Gores frei erfundene Geschichte an, nach der er Ron am Abend des Mordes im Coachlight gesehen haben wollte. Barney bekam keine Gelegenheit mehr, Gore wegen dessen zahlreicher Verurteilungen in die Mangel zu nehmen und deren gewalttätigen Charakter in den Vordergrund zu stellen. Die Verteidigung konnte den Zeugen auch nicht danach fragen, wo er in der Nacht des Mordes gewesen war.
Nachdem Gore ausgefallen war, machte die Anklage zügig mit ihren anderen Zeugen weiter. Tommy Glover, Gina Vietta und Charlie Carter sagten zum dritten Mal das Gleiche aus.
Gary Alen erzählte wieder einmal die seltsame Geschichte, wie er im Dezember 1982 um halb vier Uhr morgens zwei Männer gehört habe, die sich gegenseitig mit dem Gartenschlauch abgespritzt hätten, betonte aber wieder, dass er Ron Williamson nicht habe erkennen können. Der andere Mann könne Fritz gewesen sein, es sei aber genauso gut möglich, dass er es nicht gewesen sei.
In Wahrheit konnte Gary Alen überhaupt niemanden identifizieren. Er hatte auch keine Ahnung, wann sich dieser Vorfall ereignet hatte. Allen war drogensüchtig, was die Polizei wusste. Und Dennis Smith kannte er, weil die beiden zusammen aufs College gegangen waren.
Smith hatte ihn kurz nach dem Mord aufgesucht und gefragt, ob er in den frühen Morgenstunden des 8. Dezember etwas Verdächtiges gehört oder gesehen habe. Alen sagte, er habe gesehen, wie sich vor dem Haus nebenan zwei Männer mit einem Gartenschlauch abgespritzt hätten, könne sich aber nicht mehr an das Datum erinnern. Dennis Smith und Gary Rogers folgerten vorschnell, dass es Fritz und Williamson gewesen sein mussten, die sich Debbie Carters Blut abwuschen. Sie versuchten, Details aus Allen herauszubekommen, und zeigten ihm sogar ein Foto des Tatorts. Dann suggerierten sie Allen, dass die beiden Männer Fritz und Williamson gewesen waren, doch er konnte und wollte die beiden nicht identifizieren.
Kurz vor dem Prozess war Gary Rogers noch einmal zu Alens Wohnung gefahren und hatte ihm einige Details suggeriert. Waren es nicht doch Fritz und Williamson gewesen, und hatte er sie nicht in den frühen Morgenstunden so um den 8. Dezember herum draußen gesehen?
Nein, Allen war sich nicht sicher. Rogers schlug seine Jacke an der Hüfte zurück, sodass Allen seinen Dienstrevolver sehen konnte. Er sagte, das Allen eine Bleivergiftung riskiere, wenn sein Gedächtnis nicht besser werde. Es wurde tatsächlich besser, aber mehr als das, was er dann aussagte, fiel ihm nicht ein.
Anschließend erläuterte Dennis Smith den Geschworenen die Spurensicherung am Tatort und erklärte, wie die Polizei Fotos machte, Fingerabdrücke nahm und Beweismittel sammelte. Einige der Fotos wurden den Geschworenen vorgelegt, die genau wie erwartet reagierten, als sie Aufnahmen der Leiche sahen. Auf der Drehleiter eines Feuerwehrlöschzuges stehend, hatte der Polizeifotograf einige Aufnahmen von Debbies Wohnung geschossen. Peterson nahm eines der Fotos und bat Smith, den Geschworenen zu erklären, wo das Haus der Familie Williamson lag. Nur ein paar Straßen weiter.
Als Barney sagte: »Ich will die Fotos sehen«, bekam er die Aufnahmen. Er nahm die Fotos und ging - einer ungeschriebenen Vereinbarung in Ada folgend - mit seiner As- sistentin Linda vor die Tür des Gerichtssaals. Dort beschrieb sie ihm ausführlich, was auf den Fotos zu sehen war.
Die Befragung durch den Staatsanwalt brachte nichts Neues, doch im Kreuzverhör sorgte Barney für ein paar Überraschungen. Er hatte es von Anfang an für äußerst merkwürdig gehalten, dass die beiden angeblichen Killer ein derart grausiges Verbrechen begehen konnten, ohne auch nur einen einzigen Fingerabdruck am Tatort zu hinterlassen. Daher wollte er von
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