Der Gefangene
Luker geführt, der ihn gewarnt hatte, sich falsche Hoffnungen zu machen.
Am selben Tag erhielt Dennis Fritz vom selben Gericht eine identische Nachricht. Wieder fanden die Richter mehrere Verfahrensfehler, ließen sich aber bei ihrer Entscheidung letztendlich von den »überzeugenden Beweisen« gegen Dennis leiten. Der von seinem Revisionsanwalt eingereichte Schriftsatz hatte Dennis nicht begeistert. Er war daher nicht überrascht, als seine Verurteilung bestätigt wurde. Nach drei Jahren in der Gefängnisbibliothek war Dennis davon überzeugt, dass er Gesetze und Präzedenzfälle besser kannte als sein Anwalt.
Er war enttäuscht, gab aber nicht auf. Wie Ron verfügte er über Argumente, die er anderen Gerichten vortragen wollte. Aufgeben kam nicht infrage. Doch anders als Ron war Dennis jetzt auf sich gestellt. Da er nicht in der Todeszelle saß, gab es für ihn keinen Pflichtverteidiger.
Aber das Revisionsgericht für Strafsachen segnete die Anträge der Anklage nicht grundsätzlich ab. Zu Mark Barretts großer Freude erfuhr er am 16. April 1991, dass das Verfahren gegen Greg Wilhoit neu aufgerollt werden sollte. Das Gericht hatte über die miserable Arbeit, die George Briggs als Verteidiger abgeliefert hatte, nicht hinwegsehen können und entschieden, Greg sei nicht angemessen vertreten worden. Wenn es um Leben und Tod geht, empfiehlt es sich, entweder den besten oder den schlechtesten Anwalt der Stadt zu verpflichten. Greg hatte unwissentlich den schlechtesten gewählt, was ihm nun zu einem neuen Verfahren verhalf.
Wurde ein Gefangener aus seiner Zelle im Todestrakt geholt, gab es nie eine Erklärung. Die Wärter befahlen dem Betreffenden nur, sich schnell anzuziehen.
Aber Greg wusste, dass seine Revision erfolgreich gewesen war. As die Wärter an seiner Zellentür standen, war ihm klar, dass der große Tag gekommen war. »Pack dein Zeug«, sagte einer von ihnen. Zeit zu gehen. Innerhalb von Minuten hatte er seine gesamten Habseligkeiten in einem Schuhkarton verstaut und marschierte mit seiner Eskorte davon. Ron war ans andere Ende des Ganges verlegt worden, sodass er sich nicht verabschieden konnte. Als Greg McAlester verließ, galten seine Gedanken dem Freund, der zurückblieb.
Nach der Verlegung ins Gefängnis von Osage County arrangierte Mark Barrett kurzfristig einen Termin zur Festsetzung der Kaution. Da ihm nach wie vor eine Mordanklage drohte und die Verhandlung noch ausstand, war Greg nicht gerade ein freier Mann. Anstelle der üblichen überhöhten Summe setzte der Richter für ihn fünfzigtausend Dollar an, die Gregs Eltern und Schwestern in aller Eile hinterlegten. Nach fünf Jahren im Gefängnis, von denen er vier in der Todeszelle gesessen hatte, war Greg nun frei. Nie wieder sollte er in eine Zelle zurückkehren.
Mit dem Bau des H-Traktes wurde 1990 begonnen. Praktisch alles war aus Beton: Böden, Wände, Decken, Pritschen, Bücherregale. Um zu verhindern, dass sich jemand eine Brechstange fertigte, wurde vollständig auf Metall verzichtet. Es gab jede Menge Gitterstangen und einige Glasscheiben, aber nicht in den Zellen. Dort war alles aus Beton.
As das Gebäude fertig war, wurde es mit Erde bedeckt. Angeblich, um Energie zu sparen, so die offizielle Version. Das hieß, dass es weder Tageslicht noch natürliche Lüftung gab.
Als der H-Trakt im November 1991 eröffnet wurde, feierte das Gefängnis sein neues, hochmodernes Todeshaus mit einer Party. Prominenz wurde geladen. Bänder wurden durchschnitten. Die Gefängniskapelle wurde gezwungen, ein paar Stücke zu spielen. Es wurden Führungen veranstaltet, während die künftigen Insassen noch immer einen halben Kilometer entfernt in Big House untergebracht waren. Gegen Bezahlung konnten die Gäste eine Nacht auf einer brandneuen Betonpritsche in einer Zelle ihrer Wahl verbringen.
Nach der Party wurden zunächst Gefangene der mittleren Sicherheitsstufe im neuen Zellentrakt untergebracht und genau beobachtet, um eventuelle Schwachstellen zu identifizieren. Nachdem sich der H-Trakt als robust, funktional und ausbruchssicher erwiesen hatte, wurden die Schwerverbrecher aus dem F-Trakt hierherverlegt. Sofort begannen die Beschwerden. Es gab keine Fenster, kein Tageslicht, keine Hoffnung auf frische Luft. Die Männer waren zu zweit in einer viel zu kleinen Zelle untergebracht. Die Betonpritschen waren zu hart und standen nur neunzig Zentimeter voneinander entfernt. Dazwischen war eine Toiletten-Waschbecken-Einheit aus Edelstahl gequetscht,
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