Der Gefangene
Erkrankungen, über die McAlester verfügte. Allerdings verweigerte das Department of Corrections zum Tode Verurteilten traditionell die Aufnahme. Die offizielle Begründung dafür klang vage, aber viele Verteidiger von zum Tode Verurteilten hegten den Verdacht, dass durch diese Politik die Hinrichtungen beschleunigt werden sollten. Wenn ein schwer gestörter Todeskandidat von kompetenter Seite begutachtet wurde, stellte sich am Ende noch heraus, dass er unzurechnungsfähig war. Dann wurde nichts aus der Exekution.
Diese Politik war viele Male infrage gestellt worden, aber die Behörde ließ sich nicht erweichen.
Ken Foster hinterfragte sie erneut. Immer wieder erklärte er Saffle und Reynolds, er könne Ron Williamson nur in der psychiatrischen Krankenabteilung angemessen behandeln, wo er seinen Zustand überwachen und für die richtige medikamentöse Behandlung sorgen könne. Häufig waren seine Ausführungen scharf, hitzig und leidenschaftlich. Aber Dan Reynolds sperrte sich hartnäckig gegen den Gedanken, Ron zu verlegen, und sah keinen Grund, seine Behandlung zu verbessern.
»Kümmern Sie sich nicht um die Todeskandidaten«, sagte er. »Die sterben sowieso.« Dr. Fosters Einsatz für Ron wurde so lästig, dass ihm Reynolds Hausverbot erteilte. Nach dessen Ende setzte sich Dr. Foster erneut für Rons Verlegung ein. Es sollte vier Jahre dauern, bis er in die psychiatrische Krankenabteilung kam.
Nach dem Ende von Rons eigentlichem Revisionsverfahren begann die zweite Phase des Rechtsmittelverfahrens, in der er neue Beweise vorbringen konnte, die bei der Verhandlung nicht verwendet worden waren.
Wie damals üblich, gab Bill Luker die Akte an Leslie Deik vom Büro der Pflichtverteidiger für Revisionsverfahren weiter. Deren oberste Priorität war es, eine bessere medizinische Versorgung ihres Mandanten zu erreichen. Bei einem Besuch im F-Trakt wurde ihr klar, dass Ron schwer krank war. Nach der Verlegung in den H-Trakt stellte sie zu ihrem Entsetzen fest, dass sich sein Zustand rapide verschlechterte.
Deik war weder Psychiaterin noch Psychologin, aber gründlich in der Erkennung von geistigen Erkrankungen geschult worden. Zu ihrer Tätigkeit als Verteidigerin von zum Tode Verurteilten gehörte es, solche Probleme zu beobachten und sich um eine angemessene Behandlung zu bemühen. Sie verließ sich dabei auf Gutachten von Spezialisten für geistige Erkrankungen, aber das war bei Ron schwierig, weil keine richtige Untersuchung möglich war. Aufgrund der im H-Trakt herrschenden Kontaktsperre durfte sich niemand mit dem Gefangenen im selben Raum aufhalten, noch nicht einmal sein Anwalt. Der Psychiater musste Ron daher durch eine Glasscheibe beobachten, während er sich mit ihm über ein Telefon unterhielt. Die in dieser zweiten Phase des Rechtsmittelverfahrens vorgeschriebene psychologische Begutachtung wollte Deik durch Dr. Pat Fleming durchführen lassen. Dr. Fleming unternahm drei Versuche, sah sich aber nicht zu einer abschließenden Beurteilung in der Lage. Ihr Patient war erregt, litt unter Wahnvorstellungen, zeigte sich unkooperativ und halluzinierte. Das Personal teilte Dr. Fleming mit, das sei nichts Ungewöhnliches. Es war offenkundig, dass er schwer gestört und außerstande war, seine Anwältin zu unterstützen und irgendwie sinnvoll zu funktionieren. Ihre Versuche, Ron zu begutachten, wurden dadurch beeinträchtigt, dass ihr kein vertraulicher Besuch gestattet wurde, bei dem sie mit ihm im selben Raum hätte sitzen können, um ihn zu befragen, zu beobachten und Tests durchzuführen. Dr. Fleming sprach mit dem Gefängnisarzt des H-Traktes und erläuterte ihre Bedenken. Später versicherte man ihr, Ron sei von internen Spezialisten für geistige Erkrankungen untersucht worden, aber sie konnte keine Besserung feststellen. Sie empfahl dringend, Ron für längere Zeit ins Eastern State Hospital zu verlegen, wo er stabilisiert und angemessen begutachtet werden konnte.
Das Gefängnis kam ihrer Empfehlung jedoch nicht nach.
Leslie Deik ließ dem Gefängnispersonal keine Ruhe. Sie lag den Wärtern, dem medizinischen Personal und der Leitung mit ihren Beschwerden in den Ohren und verlangte eine bessere Behandlung. Man speiste sie mit Versprechungen ab, die sofort wieder vergessen waren. Halbherzige Versuche, wie eine minimale Umstellung der medikamentösen Versorgung, wurden unternommen, aber Ron erhielt keine Behandlung, die der Rede wert gewesen wäre. Leslie Deik verlieh ihrer Frustration in mehreren
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