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Der Gefangene

Titel: Der Gefangene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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Ron viel freie Zeit hatte, entwickelte sich eine rege Korrespondenz, vor allem mit seinen Schwestern. Sie wussten, wie wichtig ihm die Briefe waren, und fanden immer Zeit, um zurückzuschreiben. Geld war eigentlich immer ein Thema. Das Gefängnisessen widerte Ron an, und er kaufte sich die Lebensmittel lieber in der Kantine. In einem seiner Brief an Renee schrieb er auszugsweise:
    Liebe Renee,
    ich weiß, dass Annette mir ein bisschen Geld schickt, aber ich brauche noch mehr. Ich habe Karl Fontenot hier, und er hat niemand, der ihm was schickt. Könntest du mir bitte etwas außer der Reihe schicken, selbst wenn es nur zehn Dollar sind?
    Alles Liebe,
    Ron
    Kurz vor seinem ersten Weihnachten im Todestrakt schrieb er Renee wieder, unter anderem Folgendes:
    Liebe Renee,
    vielen Dank dafür, dass Du mir das Geld geschickt hast. Ich brauche es für ein paar ganz bestimmte Dinge. Vor allem Gitarrensaiten und Kaffee.
    Ich habe dieses Jahr fünf Weihnachtskarten bekommen, einschließlich Deiner. Weihnachten kann einen wirklich froh machen.
    Deine zwanzig Dollar sind genau zur richtigen Zeit gekommen. Ich hatte mir von einem Freund etwas Geld geliehen, um mir Gitarrensaiten zu kaufen, und wollte es ihm von den fünfzig Dollar zurückzahlen, die mir Annette jeden Monat schickt. Dann wäre ich allerdings etwas knapp bei Kasse gewesen. Ich weiß, dass sich fünfzig Dollar wie eine Menge Geld anhören, aber ich habe einem Mann hier Geld gegeben, dessen Mutter es sich nicht leisten kann, ihm was zu schicken. Sie hat ihm zehn Dollar geschickt, aber das war das erste Geld, das er seit September, als ich in seine Nähe gezogen bin, bekommen hat. Ich schenke ihm Kaffee, Zigaretten usw. Er ist ein ganz armer Schlucker. Heute ist Freitag, morgen werdet Ihr Eure Geschenke öffnen. Ich hoffe, dass alle bekommen, was sie brauchen. Kinder wachsen ja so schnell. Wenn ich mich nicht zusammenreiße, werde ich sicher anfangen zu weinen.
    Sag bitte allen, wie sehr ich sie liebe.
    Ronnie
    Man konnte sich nur schwer vorstellen, dass Ron während der Feiertage »froh« war. Die Eintönigkeit im Todestrakt war schon schlimm genug, aber so völlig von seiner Familie abgeschnitten zu sein setzte ihm derart zu, dass er damit nicht fertig wurde. Zu Beginn des Frühjahrs 1989 verschlechterte sich sein psychischer Zustand immer mehr.
    Der Druck, das stumpfsinnige Leben hinter Gittern, die Verzweiflung darüber, für ein Verbrechen in die Hölle geschickt worden zu sein, das er nicht begangen hatte, waren zu viel für ihn. Ron versuchte sich umzubringen und schnitt sich wiederholt die Pulsadern auf. Er war deprimiert und wollte nicht mehr leben. Die Schnittwunden verliefen nur oberflächlich, hinterließen aber Narben. Da es mehrmals vorkam, behielten ihn die Wärter im Auge. Als es mit den Pulsadern nicht klappen wollte, setzte er seine Matratze in Brand und ließ das brennende Material auf seine Arme und Beine fallen. Die Verbrennungen wurden behandelt und verheilten. Mehr als einmal wurde er als suizidgefährdet eingestuft und rund um die Uhr bewacht.
    Am 12. Juli 1989 schrieb er an Renee:
    Liebe Renee,
    ich muss hier so viel leiden. Ich habe ein paar Papiertaschentücher angezündet und Verbrennungen zweiten und dritten Grades erlitten. Der Druck hier ist unglaublich. Ich kann nirgendwohin, wenn es zu schlimm wird, Renee, ich habe Kopfschmerzen gehabt, ich bin auf den Beton geknallt, ich habe mich auf den Boden gekniet und meinen Kopf auf den Fußboden geknallt. Ich habe mich ins Gesicht ge­ schlagen, bis ich am nächsten Tag blaue Flecke von den Schlägen hatte. Wir sind hier zusammengepfercht wie die Ölsardinen in der Dose. Ich weiß ganz genau, dass das hier das Schlimmste ist, was ich je durchgemacht habe. Die Lösung für das Problem ist Geld, nur damit geht es. Ich habe nichts zu essen. Das Essen hier ist einen Dreck wert, es ist so, als würde man sich auf irgendeiner gottverlassenen Insel von Armeerationen ernähren müssen. Die Leute hier sind arm, aber ich bin so hungrig gewesen, dass ich um einen Bissen bitten musste, damit mein Magen zu knurren aufhört. Es gibt hier so viel Leid.
    Bitte hilf mir.
    Ron
    Bei einem besonders heftigen und langen Schub Depressionen hörte Ron auf, mit den anderen zu kommunizieren, und zog sich völlig zurück, bis ihn die Wärter irgendwann zusammengekrümmt wie einen Fötus auf dem Bett fanden. Er reagierte auf nichts mehr.
    Am 29. September schnitt sich Ron wieder die Pulsadern auf. Seine Medikamente nahm er

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