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Der Gefangene

Titel: Der Gefangene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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Ron und die Familie Williamson gut, vielleicht zu gut. Seine schriftlichen Aufzeichnungen wimmelten von Anekdoten, und er sprach stets von »Ronnie«.
    Zu dessen Sportlerkarriere bemerkte Brooking: »Ich habe keine Ahnung, wie Ronnie sich als Schüler auf der Highschool schlug, weiß aber, dass er ein hervorragender Sportler war, der sich selbst geschadet hat durch Temperamentsausbrüche während des Spiels und danach, durch ein allgemein rüdes, unreifes Verhalten und eine hochgradig egozentrische, arrogante Art. Seine Primadonna-Attitüde, seine Unfähigkeit, mit Menschen klarzukommen, und seine Missachtung von Regeln und Vorschriften bereiteten ihm als Spieler fast überall Probleme.«
    Über die Familie schrieb er: »Ronnies Mutter war immer eine hart arbeitende Frau, die seit vielen Jahren einen Schönheitssalon besitzt und führt. Sowohl sie als auch sein Vater haben trotz unendlich vieler Krisen immer zu Ronnie gestanden, und seine Mutter unterstützt ihn augenscheinlich noch immer, obwohl sie psychisch, physisch und finanziell fast am Ende ist.«
    Zu der gescheiterten Ehe hatte er zu bemerken: »Er heiratete eine sehr schöne Frau, eine ehemalige Miss Ada, aber irgendwann konnte sie Ronnies Stimmungsschwankungen und seine Unfähigkeit, sich seinen Lebensunterhalt zu verdienen, nicht mehr ertragen. Sie reichte die Scheidung ein.«
    Offensichtlich redete Ron offen über seinen Akohol- und Drogenmissbrauch. Brooking hielt fest: »Ronnie hatte in den letzten Jahren ein ernsthaftes Alkohol- und Drogenproblem. (...) Zudem hat er jede Menge Pillen geschluckt. Bei seinem Tablettenkonsum scheint es sich um den Versuch zu handeln, durch Selbstmedikation etwas gegen seine schweren Depressionen zu tun. Er behauptet, zurzeit weder zu trinken noch Drogen zu nehmen.«
    Brooking diagnostizierte eine bipolare Störung und beschrieb sie folgendermaßen: Bipolare Störung besagt, dass dieser junge Mann unter extremen Stimmungsschwankungen leidet, unter einem Wechsel von manischen Höhenflügen und tiefster, an Stupor grenzender Depression. Ich diagnostiziere Depression, weil dieser Zustand der dominierende ist. Seine manischen Aufschwünge gehen in der Regel auf Drogenkonsum zurück und sind kurzlebig. Während der letzten drei oder vier Jahre war Ronnie stark depressiv. Er lebte in einer Kammer neben dem Haus seiner Mutter, schlief meistens, arbeitete so gut wie nie und war völlig abhängig von anderen. Drei­ oder viermal hat er den Versuch gemacht, selbst etwas gegen seine Probleme zu unternehmen, doch diese Versuche waren nie erfolgreich.
    Des Weiteren diagnostizierte Brooking eine paranoide Persönlichkeitsstörung, ein »stets dominantes und ungerechtfertigtes Misstrauen gegenüber anderen bei gleichzeitiger Überempfindlichkeit und einem stark beeinträchtigten Gefühlsleben«. Zu guter Letzt kam er erneut auf die Alkohol- und Drogensucht zu sprechen. Insgesamt charakterisierte er seine Einschätzung als »vorsichtig« und schloss mit den Worten: »Seit er vor zehn Jahren sein Elternhaus verließ, hat dieser junge Mann sein Leben nie in den Griff bekommen. Es ist eine nicht abreißende Serie von Problemen und verheeren- den Krisen. Er versucht weiter, festen Boden unter die Füße zu bekommen, hatte damit aber bisher nie Erfolg.«
    Brooking war für ein diagnostisches Gutachten zuständig, nicht für die Behandlung. Im Spätsommer des Jahres 1983 wurde Rons psychischer Zustand noch bedenklicher, ohne dass ihm die notwendige Hilfe zuteilgeworden wäre. Erforderlich war eine langfristige, stationäre psychotherapeutische Behandlung, aber die Familie konnte sie sich nicht leisten, der Bundesstaat war nicht zuständig, und obendrein hätte Ron sowieso nicht zugestimmt.
    Seine Bewerbung für das Wiedereingliederungsprogramm der East Central University hatte auch eine Bitte um finanzielle Unterstützung beinhaltet, und sie wurde ihm gewährt. Man benachrichtigte ihn, dass im Sekretariat der Universität ein Scheck auf ihn warte. Er ging hin, um ihn abzuholen, wie immer ungepflegt, mit langen Haaren und Schnurrbart, in Begleitung zweier zwielichtiger Gestalten, die beide sehr scharf darauf zu sein schienen, dass Ron Geld in die Finger bekam. Der Scheck war auf Rons Namen ausgestellt, musste aber von einem Angestellten der Universität gegengezeichnet werden. Ron hatte es eilig, aber man sagte ihm, er müsse sich zur Gegenzeichnung am Ende einer langen Schlange anstellen. Er glaubte, dass ihm das Geld zustand, und hatte keine

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