Der Gefangene
Lust zu warten. Da seine beiden Kumpels auch ungeduldig waren, fälschte er auf die Schnelle die Unterschrift des Universitätsangestellten. Er verließ das Sekretariat mit dreihundert Dollar in der Tasche.
Die Scheckfälschung wurde von Nancy Carson bemerkt, der Frau des Polizisten Rick Carson, mit dem Ron als Kind befreundet gewesen war. Mrs Carson arbeitete im Sekretariat und kannte Ron seit vielen Jahren. Sie war entsetzt darüber, was sie gerade gesehen hatte, und rief ihren Mann an.
Ein anderer Angestellter der Universität kannte die Familie Williamson. Er fuhr umgehend zu Juanitas Schönheitssalon und erzählte ihr, dass Ron die Unterschrift gefälscht hatte. Wenn sie bereit sei, die dreihundert Dollar zurückzuzahlen, werde keine Anzeige erstattet. Juanita schrieb sofort einen Scheck und machte sich auf die Suche nach ihrem Sohn.
Am nächsten Tag wurde Ron wegen Scheckbetrugs festgenommen - ein Delikt, auf das eine Haftstrafe von maximal acht Jahren stand - und kam ins Gefängnis von Pontotoc County. Er war nicht in der Lage, eine Kaution zu hinterlegen, und auch seine Familie konnte ihm nicht helfen.
Die Nachforschungen im Mordfall Carter kamen nur langsam voran. Das kriminaltechnische Labor des OSBI hatte sich noch nicht zu den ursprünglichen Fingerabdrücken sowie den Haar- und Speichelproben von einunddreißig Männern geäußert, darunter auch Ron Williamson und Dennis Fritz. Glen Gore war immer noch nicht aufgefordert worden, eine Haar- und Speichelprobe zur Verfügung zu stellen. Im September 1983 lagen alle Haarproben auf dem Schreibtisch des überarbeiteten Melvin Hett, eines Haaranalysten des OSBI.
Am 9. November unterzog sich Ron im Gefängnis einem weiteren Lügendetektortest, der ebenfalls vom OSBI-Beamten Rusty Featherstone durchgeführt wurde. Das Ganze dauerte zwei Stunden, und Ron musste jede Menge Fragen beantworten, bevor er an den Lügendetektor angeschlossen wurde. Er bestritt energisch, irgendetwas mit dem Mord zu tun zu haben oder etwas darüber zu wissen. Der Test brachte erneut kein schlüssiges Resultat. Das gesamte Verhör wurde auf Video aufgezeichnet. Ron gewöhnte sich an das Leben hinter Gittern. Er konsumierte weiter Alkohol und Tabletten, weil ihm keine andere Wahl blieb, und schaffte es, seiner alten Angewohnheit treu zu bleiben, zwanzig Stunden am Tag zu schlafen. Ohne Medikation und ärztliche Behandlung setzte sich die Verschlechterung seines psychischen Zustandes langsam weiter fort.
Gegen Ende November hörte Dennis Smith von einer Gefängnisinsassin namens Vicki Michelle Owens Smith eine seltsame Geschichte über Ron. In seinem Bericht hielt er fest:
Am frühen Samstagmorgen, zwischen drei und vier Uhr, schaute Ron Williamson aus seinem Fenster und sah Vicki. Williamson schrie, sie sei eine Hexe und diejenige, die ihn zu Debbie Carters Wohnung ge führt habe. Nun habe sie Debbies Geist in seine Zelle gebracht, der ihn verfolge und zu Tode ängstige. Außerdem rief Williamson, seine Mutter möge ihm verzeihen.
Im Dezember, ein Jahr nach dem Mord, wurde Glen Gore gebeten, im Police Department eine Aussage zu machen. Er bestritt, etwas mit dem Tod von Debbie Carter zu tun zu haben. Nachdem er zu Protokoll gegeben hatte, er habe sie ein paar Stunden vor dem Mord im Coachlight gesehen, fügte er seiner Darstellung den neuen Schlenker hinzu, Debbie habe mit ihm tanzen wollen, weil sie sich wegen Ron Williamson unbehaglich gefühlt habe. Die Tatsache, dass niemand sonst im Coachlight etwas von Rons Anwesenheit dort gesagt hatte, spielte offenbar keine Rolle.
Doch obwohl die Beamten begierig waren, eine Anklage gegen Ron zusammenzuschustern, war die Beweislage einfach zu dürftig. Es existierte nicht ein einziger Fingerabdruck aus der Wohnung von Debbie Carter, der mit denen von Ron oder Dennis Fritz übereinstimmte, ein klaffendes Loch in der Theorie, dass die beiden während des brutalen Geschehens vor Ort gewesen seien. Augenzeugen gab es nicht; niemand hatte in jener Nacht ein verdächtiges Geräusch gehört. Das Ergebnis der Haaranalyse, ohnehin stets bestenfalls ein wackliges Indiz, lag noch nicht vor. Man wartete auf Melvin Hetts Bericht.
Der Mordverdacht gegen Ron beruhte auf zwei Lügendetektortests, die kein »schlüssiges« Resultat erbracht hatten, auf seinem schlechten Ruf und seinem Wohnort, der nicht weit von dem des Opfers entfernt lag. Und auf der spät eingeholten, zweifelhaften Aussage des Zeugen Glen Gore, Ron sei an jenem Abend im Coachlight
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