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Der Gefangene

Titel: Der Gefangene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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quasi befreundet gewesen. Aber Tommy war verwirrt von der Anschuldigung und entsetzt über die Selbstgefälligkeit von Smith und Rogers. Drohungen und Beschimpfungen prasselten auf ihn herab. Der Ton verschärfte sich, und bald ließen sie keinen Fluch und keine Obszönität mehr aus.
    Tommy schwitzte und versuchte verzweifelt, in seinem benommenen Kopf einen klaren Gedanken zu fassen. Seine Antworten hielt er kurz. Nein, ich habe es nicht getan. Nein, ich habe nichts damit zu tun. Ein paarmal lagen ihm sarkastische Kommentare auf den Lippen, aber er hatte Angst. Smith und Rogers waren in Rage und trugen Waffen, und Tommy war mit ihnen und Featherstone in einem Raum eingeschlossen. Und es sah nicht so aus, als wäre die Vernehmung bald zu Ende.
    Nachdem er drei Stunden bei Featherstone geschwitzt und eine weitere Stunde Tortur mit Smith und Rogers durchgemacht hatte, brauchte Tommy dringend eine Pause. Er musste zur Toilette, eine Zigarette rauchen und einen klaren Kopf bekommen. Er brauchte Hilfe, musste mit jemandem reden, der ihm erklärte, was hier los war. Darf ich eine Pause machen?, bat er.
    Nur noch ein paar Minuten, erwiderten sie.
    Tommy bemerkte eine Videokamera auf einem Tisch in der Nähe. Sie war nicht angeschlossen, bekam also nichts mit von dem Fragenbombardement. Das können unmöglich offizielle Polizeimethoden sein, dachte er.
    Smith und Rogers erinnerten ihn wiederholt daran, dass man in Oklahoma Mörder mit der Giftspritze tötete. Er sehe dem Tod ins Auge, dem sicheren Tod, aber vielleicht gebe es ja noch eine Chance, dieses Schicksal abzuwenden. Erleichtere dein Gewissen, drängten sie ihn, berichte, was passiert ist, führ uns zu der Leiche, dann setzen wir uns für dich ein.
    »Ich hab das nicht getan«, sagte Tommy immer wieder. Er hatte einen Traum, informierte Featherstone die zwei Kollegen.
    Tommy erzählte den Traum, woraufhin ihm abermals Missbilligung entgegenschlug. Die drei Cops waren sich einig, dass der Traum wenig Sinn ergab, und Tommy erwiderte erneut: »So wie die meisten Träume.«
    Aber der Traum brachte die Cops auf neue Ideen, und sie begannen, ihn auszuschmücken. Die beiden anderen Männer im Truck seien wohl Odell Titsworth und Karl Fontenot, oder?
    Nein, beharrte Tommy. Die Männer im Traum hätten keine Gesichter gehabt. Keine Namen.
    Schwachsinn. Das Mädchen war Denice Haraway, nicht? Nein, das Mädchen im Traum hatte kein Gesicht. Schwachsinn.
    Eine Stunde lang arbeiteten die Cops »Fakten« in Tommys Traum ein, die er samt und sonders abstritt. Es war nur ein Traum, wiederholte er unablässig.
    Nur ein Traum.
    Schwachsinn, sagten die Cops.
    Nach zwei Stunden Dauerbeschuss gab Tommy schließlich auf. Es war die Angst, die ihn dazu bewog - Smith und Rogers waren außer sich vor Wut und sahen aus, als würden sie auch vor Gewalt nicht zurückschrecken, er sah sich schon mit einer Kugel im Kopf daliegen -, aber auch die grauenvolle Vorstellung, in der Todeszelle der Hinrichtung entgegenzuvegetieren.
    Außerdem erschien es ihm offensichtlich, dass er erst gehen durfte, wenn er den Cops irgendetwas an die Hand gegeben hatte. Nach fünf Stunden in diesem Raum war er erschöpft und fast gelähmt vor Verwirrung und Angst.
    Und da beging er einen Fehler. Einen Fehler, der ihn in die Todeszelle bringen und ihn am Ende seine Freiheit kosten würde.
    Tommy beschloss mitzuspielen. Da er vollkommen unschuldig war - und er nahm an, dass auch Karl Fontenot und Odell Titsworth unschuldig waren -, konnte er dochden Cops geben, was sie wollten. Mitmachen bei ihrem Theater. Die Wahrheit würde bald herauskommen. Morgen oder übermorgen würden die Polizisten feststellen, dass die Geschichte nicht schlüssig war. Sie würden mit Karl reden, und er würde die Wahrheit sagen. Sie würden Odell Titsworth finden, und er würde sie auslachen. Er konnte ruhig mitspielen. Gute Polizeiarbeit würde die Wahrheit dann schon ans Licht bringen. Sein »Traum-Geständnis« musste nur lächerlich genug sein, dann würde es gewiss keiner glauben.
    Odell ging also als Erster in den Laden?
    Klar, warum nicht, sagte Tommy. Es war nur ein Traum.
    Jetzt ging's los. Die Cops beglückwünschten sich. Dank ihrer cleveren Strategie gab der Kerl endlich auf.
    Ging es um Raub?
    Ja, meinetwegen, es war ja nur ein Traum.
    Den ganzen Nachmittag über schmückten Smith und Rogers den Traum mit immer mehr Details aus, und Tommy spielte mit.
    Es war doch nur ein Traum.
    Schon während dieses grotesken »Geständnisses«

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