Der Gefangene
hätten die beiden Polizisten bemerken müssen, dass sie auf dem Holzweg waren.
Im Police Department in Ada wartete Detective Mike Baskin vor dem Telefon und wünschte sich, auch dabei zu sein, im OSBI-Büro, mittendrin im Geschehen. Gegen fünfzehn Uhr rief Gary Rogers mit großen Neuigkeiten an: Tommy Ward hatte endlich geredet! Steigen Sie ins Auto, fahren Sie raus zum Kraftwerk westlich der Stadt, und suchen Sie dort nach der Leiche. Baskin preschte mit der Gewissheit los, dass die Suche nun bald zu Ende sein würde.
Er fand nichts und stellte zudem fest, dass er für eine gründliche Durchsuchung des Geländes zusätzliche Männer benötigte. Also fuhr er zum Police Department zurück. Das Telefon klingelte wieder. Es gab eine neue Version. Wenn man auf das Kraftwerk zugehe, stehe rechter Hand die Brandruine eines Hauses. Dort befinde sich die Leiche.
Baskin fuhr erneut los, fand die Ruine, durchwühlte die Trümmer und kehrte erneut unverrichteter Dinge in die Stadt zurück.
Mit einem dritten Anruf von Rogers ging die Schnitzeljagd in eine neue Runde. Wieder gab es eine andere Variante der Geschichte. Irgendwo in der Nähe des Kraftwerks und der Brandruine stehe ein Betonbunker. Dorthin hätten sie die Leiche geschafft. Baskin trieb zwei Kollegen und ein paar Flutlichtscheinwerfer auf und fuhr abermals los. Sie fanden den Bunker und suchten, bis es zu dunkel geworden war. Nichts.
Nach jedem Rückruf von Baskin bauten Smith und Rogers Tommys Traum erneut um. Stunde um Stunde verging, den Verdächtigen drohte die Müdigkeit zu überwältigen. Die Cops arbeiteten mit verteilten Rollen, spielten »guter Bulle, böser Bulle«, immer im Wechsel. Mal waren sie ruhig, fast freundlich, dann wieder brüllte einer unvermittelt los, stieß Flüche und Drohungen aus. Besonders liebten sie den Spruch »Du dreckiger kleiner Lügner!«. Unzählige Male musste Tommy sich das anhören.
»Sei froh, dass Mike Baskin nicht hier ist«, sagte Smith. »Der würde dir das Hirn rauspusten.«
Es hätte Tommy in der Tat nicht überrascht, wenn sie ihm eine Kugel in den Kopf gejagt hätten.
Als es so dunkel war, dass sie die Leiche an diesem Tag mit Sicherheit nicht mehr finden würden, beschlossen Smith und Rogers, das Geständnis aufzunehmen. Bei ausgeschalteter Videokamera gingen sie mit Tommy die Geschichte noch einmal durch: Die drei Mörder fuhren also in Odell Titsworths Pick-up herum und planten den Raubüberfall. Aus Angst, dass Denice sie später identifizieren würde, entführten sie die junge Frau und beschlossen, sie zu vergewaltigen und zu töten. Die Einzelheiten über den Verbleib der Leiche blieben vage, aber die Detectives waren überzeugt, dass sie irgendwo in der Nähe des Kraftwerks sein musste. In Tommys Kopf herrschte vollkommene Leere, er konnte nur noch stammeln. Er versuchte, die Geschichte nachzuerzählen, brachte aber immer wieder die »Fakten« durcheinander. Dann unterbrachen ihn Smith und Rogers, wiederholten ihren Fantasieplot und ließen ihn von vorn beginnen. Nach vier Probedurchläufen, die kaum Verbesserung und den Protagonisten immer mehr an den Rand der Erschöpfung brachten, schalteten die Beamten schließlich die Kamera an.
Jetzt geht's los, sagten sie zu Tommy. Gib dir Mühe und lass den Traum-Schwachsinn. »Aber die Geschichte ist nicht wahr«, hielt Tommy dagegen.
Erzähl sie trotzdem, beharrten die Cops, wir helfen dir dann schon zu beweisen, dass sie nicht wahr ist.
Und keinen Traum-Schwachsinn.
Um 18:58 Uhr blickte Tommy Ward in die Kamera und nannte seinen Namen. Achteinhalb Stunden Verhör lagen hinter ihm, und er war körperlich und emotional am Ende.
Er rauchte eine Zigarette, die erste an diesem Nachmittag. Vor ihm stand eine Getränkedose. Die Szene vermittelte den Eindruck, als führte er mit den Polizisten in höflicher, entspannter Atmosphäre gerade eine nette kleine Plauderstunde. Und so erzählte er die Geschichte: Er, Karl Fontenot und Odell Titsworth hätten Denice Haraway aus dem Laden entführt und seien dann zum Kraftwerk im Westen der Stadt gefahren. Dort hätten sie sie vergewaltigt und getötet. Die Leiche hätten sie anschließend bei einem Betonbunker draußen am Sandy Creek abgelegt. Mordwaffe sei Odell Titsworths Schnappmesser gewesen.
Es war alles nur ein Traum, sagte er. Oder wollte er sagen. Oder meinte er gesagt zu haben.
Mehrmals benutzte er den Namen »Titsdale«. Dann unterbrachen ihn die Detectives und soufflierten beflissen: »Titsworth«. Tommy
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