Der Gefangene
wieder hoch, stieß es Tommy vor die Nase und fragte ihn weiter nach dem Mord, der Beseitigung der Leiche und ob er die junge Frau hübsch finde.
Mike Baskin versuchte es auf die Mitleidstour, indem er das Leid der Angehörigen hervorhob: »Es würde ihre Qualen mit einem Mal beenden, wenn Sie verraten würden, wo das Mädchen ist.«
Tommy pflichtete dem bei, beharrte aber darauf, dass er keine Ahnung habe, wo sich das Mädchen befinde.
Schließlich wurde das Tonbandgerät ausgeschaltet. Die Befragung hatte eine Stunde fünfundvierzig Minuten gedauert, und Tommy Ward war die ganze Zeit über nicht von seiner ursprünglichen Aussage abgerückt - dass er nichts über das Verschwinden von Denice Haraway wisse. Die Sitzung hatte ihn nervlich ziemlich mitgenommen, aber er erklärte sich bereit, sich in ein paar Tagen einem Lügendetektortest zu unterziehen.
Die Roberts' wohnten nur ein paar Straßen von der Polizeidirektion entfernt, und Tommy beschloss, zu Fuß zurückzugehen. Die frische Luft tat ihm gut. Er war aufgebracht, weil ihn die Cops so barsch behandelt hatten. Sie hatten ihn beschuldigt, das Mädchen ermordet zu haben. Und sie hatten ihm wiederholt Lügen aufgetischt, um ihn hereinzulegen.
Smith und Baskin waren schon auf dem Heimweg nach Ada sicher, ihren Mann gefunden zu haben: Tommy Ward glich der Phantomzeichnung von einem der jungen Männer, die an jenem Samstagabend vor dem JP's gehalten und sich so merkwürdig aufgeführt hatten. Er hatte diesmal eine andere Version von dem Abend, an dem Denice verschwunden war, erzählt. Und er hatte während der Befragung nervös gewirkt.
Zunächst war Tommy erleichtert, dass man ihn an einen Lügendetektor anschließen wollte. Der Test würde beweisen, dass er die Wahrheit sagte, und dann würden ihn die Cops endlich in Ruhe lassen. Bald aber bekam er Albträume, die von dem Mord, den Anschuldigungen der Polizei, den Bemerkungen über seine Ähnlichkeit mit den Phantomzeichnungen, dem hübschen Gesicht von Denice Haraway und den Ängsten ihrer Familie handelte. Warum beschuldigte man ihn?
Die Polizisten hielten ihn für schuldig. Sie wollten, dass er schuldig war! Konnte er ihnen trauen, wenn sie einen Lügendetektor einsetzten? Sollte er mit einem Rechtsanwalt reden?
Er rief seine Mutter an und erzählte ihr, dass er Angst vor der Polizei und dem Lügendetektor habe. »Ich fürchte, sie bringen mich dazu, was zu sagen, das ich nicht sagen sollte.« Sag einfach die Wahrheit, riet sie ihm, dann wird alles gut. Am Donnerstag, dem 18. Oktober, fuhr Mike Roberts Tommy morgens nach Oklahoma City zum OSBI, das mit dem Auto rund zwanzig Minuten entfernt lag. Der Test sollte etwa eine Stunde dauern. Mike würde auf dem Parkplatz warten, anschließend würden die beiden zusammen zur Arbeit fahren. Ihr Chef hatte ihnen ein paar Stunden freigegeben. Als Mike Roberts Tommy ins Gebäude gehen sah, ahnte er nicht, dass dies die letzten Schritte des jungen Mannes in Freiheit sein würden. Dass er den Rest seines Lebens hinter Gittern verbringen würde.
Dennis Smith empfing Tommy mit breitem Lächeln und einem warmen Händedruck, ehe er ihn in ein Büro brachte, wo er ihn eine halbe Stunde allein sitzen ließ: ein beliebter Trick der Polizei, um Verdächtige noch nervöser zu machen, als sie ohnehin sind. Um 10:30 Uhr wurde er in einen anderen Raum gebracht, wo der OSBI-Beamte Rusty Featherstone und sein getreuer Lügendetektor warteten.
Smith empfahl sich. Während Featherstone erläuterte, wie das Gerät funktionierte oder funktionieren sollte, schloss er Tommy daran an und befestigte die Elektroden. Die Befragung hatte noch nicht richtig begonnen, da brach Tommy schon der Schweiß aus. Aber die ersten Fragen waren banal - Familie, Schulbildung, Arbeit, die Fakten waren bekannt, und das Gerät zeichnete auf. In Tommy keimte leise Hoffnung auf: Das könnte ja doch ein Kinderspiel werden. Um 11:05 Uhr klärte Featherstone Tommy über sein Aussageverweigerungsrecht auf und begann, in der Haraway-Sache herumzustochern. Zweieinhalb Stunden lang ertrug Tommy das verworrene Fragespiel, ohne von der Wahrheit abzuweichen. Er wisse nichts über die Sache mit Denice Haraway.
Der Test ging ohne Pause bis 13:30 Uhr. Dann stöpselte Featherstone das Gerät ab und verließ den Raum. Tommy war erleichtert, ja regelrecht euphorisch, weil die Qual endlich ein Ende hatte. Er hatte den Test mit Bravour gemeistert; jetzt würden ihn die Cops endlich in Ruhe lassen.
Fünf Minuten später
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