Der Gefangene
kannte.
Morris war überwiegend als Strafverteidiger tätig und hatte wenig Respekt vor der Polizei von Ada. Aber er kannte die entsprechenden Leute, und so vereinbarte er für Rons Mutter einen Termin bei Dennis Smith. Er fuhr Juanita sogar zum Police Department und saß neben ihr, während sie mit dem Detective sprach. Smith hörte aufmerksam zu, studierte die Leihquittung und fragte sie, ob sie bereit sei, ihre Aussage auf Video aufnehmen zu lassen. Selbstverständlich war sie dazu bereit.
David Morris sah durch ein Fenster zu, wie Juanita auf einem Stuhl Platz nahm, in die Kamera blickte und auf Smith' Fragen antwortete. Auf dem Heimweg war sie erleichtert und sicher, dass die Angelegenheit damit erledigt war.
In der Kamera mag eine Kassette gewesen sein - doch niemand bekam die Aufnahme je zu sehen. Detective Smith mag ein Protokoll dieser Befragung verfasst haben - doch im anschließenden Verfahren wurde nie darauf verwiesen.
Tage und Wochen vergingen, während Ron im Gefängnis die Zeit totschlug. Er machte sich Sorgen um seine Mutter. Im August war es so weit, sie lag im Sterben, aber er durfte sie nicht im Krankenhaus besuchen.
Im selben Monat wurde er auf Anordnung des Gerichts noch einmal von Dr. Charles Arnos untersucht, der eine Reihe von Tests mit ihm durchführen wollte. Schon beim ersten bemerkte er, dass Ron bei allen Fragen die Antwort »richtig« markierte. As ihn Arnos darauf ansprach, erwiderte er: »Was ist wichtiger, dieser Test oder meine Mutter?« Die Untersuchung wurde abgebrochen. Arnos hielt fest: »Es ist festzustellen, dass dieses diagnostische Gespräch mit Mr Williamson gegenüber der letzten Begegnung in 1982 eine bedeutsame Abflachung seines Affekts gezeigt hat.« Ron bat die Polizei um die Erlaubnis, seine Mutter vor ihrem Tod noch einmalzu sehen. Annette schloss sich der Bitte an. Über die Jahre hatte sie mit den Gefängniswärtern ein beinahe freundschaftliches Verhältnis entwickelt. Wenn sie Ronnie Kekse und Brownies brachte, nahm sie so viele mit, dass es für alle Insassen und Wärter reichte. Sie kochte manchmal sogar für alle in der Gefängnisküche.
Sie argumentierte, das Krankenhaus liege ganz in der Nähe. Es sei eine Kleinstadt; jeder kenne Ron und seine Familie. Es sei unwahrscheinlich, dass er irgendwie an eine Waffe gelangen und Mitmenschen verletzen könne. Schließlich wurde eine Abmachung getroffen. Ron wurde nach Mitternacht aus dem Gefängnis geführt, in Handschellen und Ketten, begleitet von schwer bewaffneten Wärtern. Man brachte ihn zum Krankenhaus, wo er in einen Rollstuhl verfrachtet und durch die Flure geschoben wurde.
Juanita hatte klar gesagt, dass sie ihren Sohn nicht in Handschellen sehen wollte. Annette hatte die Polizisten gebeten, dieser Bitte zu entsprechen, und sie hatten widerstrebend zugestimmt. Irgendwo auf dem Weg aber war das Versprechen in Vergessenheit geraten. Handschellen und Ketten wurden nicht entfernt. Ron flehte die Beamten an, wenigstens die Handschellen zu entfernen, für die paar Minuten, wenn er seine Mutter zum letzten Mal sah. Unmöglich. Man sagte ihm, er solle im Rollstuhl sitzen bleiben.
Ron bat um eine Decke, um Handschellen und Fußfesseln verbergen zu können. Die Polizisten zögerten - sie fürchteten ein Sicherheitsrisiko -, gaben dann aber nach. Sie rollten ihn in Juanitas Zimmer und bestanden darauf, dass Annette und Renee hinausgingen. Die beiden Schwestern baten darum, bleiben zu dürfen, damit die Familie ein letztes Mal beisammen sein könne. Zu gefährlich, sagten die Cops. Warten Sie draußen auf dem Flur.
Ron sagte seiner Mutter, wie sehr er sie liebe, wie leid es ihm tue, dass er sein Leben verpfuscht und ihr so viele Enttäuschungen bereitet habe. Weinend flehte er sie an, ihm zu vergeben, und natürlich tat sie das. Er zitierte einen Bibelspruch. Intimität herzustellen war schwierig, weil die Polizisten im Raum waren und Ron nicht aus den Augen ließen, damit er nicht aus dem Fenster springen oder jemanden anfallen konnte. Der Abschied war kurz. Die Polizeibeamten beendeten ihn nach ein paar Minuten, indem sie ankündigten, dass man jetzt ins Gefängnis zurückmüsse. Annette und Renee hörten ihren Bruder weinen, als er weggerollt wurde.
Juanita starb am 31. August 1985. Zunächst verweigerte die Polizei der Familie den Wunsch, Ron an der Beerdigung teilnehmen zu lassen. Sie gab erst nach, als Annettes Mann vorschlug, zwei ehemalige Polizisten zu engagieren - Cousins von ihm -, die während des
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