Der Gefangene
Williamson) ist sich der Schwere der gegen ihn erhobenen Anklagen bewusst, b) er kann sich mit seinem Anwalt beraten und vernünftig zum Aufbau seiner Verteidigung beitragen, c) er ist nicht mehr psychisch gestört, d) selbst wenn er ohne Behandlung, Therapie oder Verhaltenstraining entlassen wird, dürfte er keine bedeutende Gefahr für das Leben oder die Sicherheit seiner eigenen Person oder anderer Personen darstellen, es sei denn, er verhält sich so soziopathisch, dass er als potenziell gefährlich angesehen werden muss, insbesondere nach schwerem Alkoholmissbrauch.«
Ron wurde nach Ada zurückgebracht, damit sein Widerrufungsverfahren abgeschlossen werden konnte. Statt aber eine weitere Anhörung zur Feststellung seiner Zurechnungsfähigkeit anzusetzen, übernahm Richter Miller Dr. Garcias Expertise ungeprüft. Ron war von Amts wegen für unzurechnungsfähig erklärt worden, und seine Zurechnungsfähigkeit wurde offiziell nie wieder festgestellt.
Auf der Grundlage von Dr. Garcías Gutachten wurde die Strafaussetzung widerrufen, Ron musste zurück ins Gefängnis, um den Rest seiner zweijährigen Haftstrafe ab- zusitzen. Als er aus dem Eastern State Hospital entlassen wurde, bekam er einen Thorazinvorrat für zwei Wochen mit.
Im September begann in Ada der Prozess gegen Tommy Ward und Karl Fontenot. Ihre Anwälte setzten sich vehement dafür ein, die Fälle zu trennen und, vor allem, aus Pontotoc County wegzuverlegen. Denice Haraway war noch immer vermisst, die Sache war in aller Munde, Hunderte Einheimischer hatten bei der Suche geholfen. Ihr Schwiegervater war ein hoch geachteter Zahnarzt im Ort. Ward und Fontenot waren elf Monate im Gefängnis gewesen. Seit im Oktober erstmals die Zeitungen darüber berichtet hatten, waren ihre Geständnisse in den Cafés und Schönheitssalons das Thema Nummer eins.
Die Angeklagten hatten kaum eine Chance auf eine unvoreingenommene Jury. Aus diesem Grund werden Sensationsprozesse dieser Art häufig an andere Orte verlegt. Die Anträge auf Verlegung des Verfahrens wurden abgelehnt.
Der zweite Kriegsschauplatz im Vorverfahren betraf die Geständnisse. Wards und Fontenots Anwälte fochten die Aussagen an, und zwar insbesondere die Methoden, mit denen die ermittelnden Beamten Smith und Rogers sie erhalten hatten. Die Geschichten der jungen Männer waren eindeutig nicht wahr; es gab nicht den Hauch eines materiellen Beweises, der sie untermauert hätte.
Peterson kämpfte mit harten Bandagen. Ohne die Videomitschnitte hätte er nicht einmal mehr einen Fall gehabt. Nach langwierigen und hitzigen Auseinandersetzungen verfügte der Richter, dass die Geständnisse den Geschworenen vorgeführt werden sollten.
Die Staatsanwaltschaft lud einundfünfzig Zeugen vor, von denen nur wenige etwas wirklich Sachdienliches zu sagen hatten. Viele waren Freunde von Denice Haraway, die nur bezeugen sollten, dass sie tatsächlich vermisst und vermutlich tot war. Nur eine Überraschung gab es im Prozess, als eine Berufskriminelle namens Terri Holland in den Zeugenstand gerufen wurde. Sie erzählte den Geschworenen, dass sie im Oktober im County-Gefängnis eingesessen habe, als Karl Fontenot inhaftiert worden sei. Sie hätten sich gelegentlich unterhalten, und dabei habe er zugegeben, dass er zusammen mit Tommy Ward und Odell Titsworth das Mädchen entführt, vergewaltigt und getötet habe.
Fontenot leugnete, Holland jemals gesehen zu haben.
Terri Holland war nicht der einzige Knastspitzel im Zeugenstand. Auch ein Kleinkrimineller namens Leonard Martin befand sich zur damaligen Zeit hinter Gittern. Die Staatsanwaltschaft zitierte ihn ebenfalls vor Gericht, wo er den Geschworenen berichtete, dass er einmal gehört habe, wie Karl in seiner Zelle vor sich hingebrummt habe: »Ich wusste, wir werden geschnappt. Ich wusste, wir werden geschnappt.« So sahen die Beweise der Anklage aus. Aussagen wie diese sollten die Geschworenen von der Schuld der Angeklagten überzeugen und ihnen jeden Zweifel nehmen. Da es keinerlei materielle Beweise gab, rückten die Aufzeichnungen der Geständnisse in den Mittelpunkt der Aufmerksamkeit, obwohl sie voller Unstimmigkeiten und offenkundiger Lügen waren. Die Staatsanwaltschaft befand sich in einem bizarren Dilemma: Einerseits musste sie einräumen, dass Ward und Fontenot logen, andererseits forderte sie die Geschworenen auf, ihren Worten trotzdem Glauben zu schenken. Bitte ignorieren Sie das Geschwafel über Titsworth, der hatte eigentlich gar nichts damit zu
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