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Der Gefangene

Titel: Der Gefangene Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Grisham
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notwendig seien, um eine freiwillige Aussage zu machen.
    1897 entschied das Gericht im Verfahren Bramgegen Vereinigte Staaten, dass eine Aussage frei und freiwillig erfolgt sein müsse und keinesfalls durch eine noch so geringfügige Form von Drohung, Gewalt oder Versprechung erzwungen werden dürfe. Das Geständnis eines Angeklagten, der bedroht werde, sei nicht zulässig.
    1960 definierte das Gericht im Verfahren Blackburn gegen Alabama: »Nötigung kann sowohl psychischer als auch physischer Art sein.« Um zu bestimmen, ob ein Geständnis unter psychologischem Druck der Polizei zustande kam, sind folgende Kriterien zu beachten: a) Wie lange dauerte die Befragung, b) Wurde sie künstlich in die Länge gezogen, c) Wann fand sie statt, tagsüber oder nachts, mit besonderem Augenmerk auf nächtliche Geständnisse, d) Wie sieht der psychologische Hintergrund des Verdächtigen aus - Intelligenz, Erziehung, Bildung etc.
    Im Verfahren Miranda gegen Arizona, dem berühmtesten Fall von Selbstbelastung, führte der Supreme Court verfahrenssichernde Maßnahmen zum Schutze des Angeklagten ein. Seither ist verfassungsrechtlich festgeschrieben, dass ein Verdächtiger nicht zur Aussage gezwungen werden darf. Aussagen aus Vernehmungen dürfen nur dann vor Gericht verwendet werden, wenn Polizei und Staatsanwaltschaft beweisen können, dass der Verdächtige genau verstanden hat, dass er a) das Recht zu schweigen sowie b) das Recht auf einen Anwalt hat, gleich ob er ihn selbst bezahlen kann oder nicht. Wenn der Angeklagte während einer Vernehmung einen Anwalt verlangt, sind die Fragen sofort einzustellen.
    Die so genannte Miranda-Rechtsbelehrung wurden 1966 eingeführt und erlangte sofort Berühmtheit. Viele Polizeibehörden missachteten sie, zumindest so lange, bis schuldige Kriminelle wieder auf freien Fuß kamen, weil sie nicht ordnungsgemäß über ihr Aussageverweigerungsrecht belehrt worden waren. Sicherheitsfanatiker warfen der Justiz vor, Verbrecher in Watte zu packen. Der Zusatzartikel fand sogar Eingang in unsere Alltagskultur; wenn in US-Filmen oder -Serien jemand festgenommen wird, hören die Zuschauer unweigerlich vom Cop den Satz: »Sie haben das Recht zu schweigen ...«
    Rogers, Smith und Featherstone wussten um die Bedeutung des Aussageverweigerungsrechts, denn sie sorgten dafür, dass Tommys Rechtsbelehrung ordnungsgemäß aufgezeichnet wurde. Die fünfeinhalb Stunden ununterbrochener Drohungen und Beschimpfungen, die davor lagen, waren auf dem Video dagegen nicht zu sehen.
    Die Geständnisse von Tommy Ward und Karl Fontenot waren ein juristisches Desaster. Zur damaligen Zeit, im Oktober 1984, glaubten die Ermittler aber immer noch, dass sie die Leiche und damit einen materiellen Beweis finden würden. Der Prozess lag Monate entfernt. Sie hatten noch genug Zeit, gegen Ward und Fontenot einen soliden Fall zu konstruieren - das zumindest dachten sie.
    Doch Denice' Leiche wurde nicht gefunden. Tommy und Karl hatten keine Ahnung, wo sie war, und das sagten sie der Polizei immer wieder. Monate zogen ins Land, ohne dass auch nur ein paar Anhaltspunkte, geschweige denn Beweise gefunden wurden. Die Geständnisse gewannen zunehmend an Bedeutung. Am Ende sollten sie die einzigen Belastungsbeweise sein, die der Staatsanwalt im Prozess vorlegen konnte.
6. Kapitel
    Ron Williamson wusste über den Fall Haraway Bescheid, hatte er doch gewissermaßen einen Logenplatz: ein Bett im Gefängnis von Pontotoc County.
    Nachdem er zehn Monate seiner dreijährigen Haftstrafe abgesessen hatte, wurde er nach Ada zurückgeschickt und unter Hausarrest gestellt - eine eher lockere Vollzugsmaßnahme, die vor allem seine Bewegungsfreiheit erheblich einschränkte. Wie nicht anders zu erwarten, klappte das nicht. Ron nahm keine Medikamente und war nicht in der Lage, Zeiten, Termine oder sonstige Vorgaben einzuhalten. Im November - zu der Zeit, als er wieder zu Hause wohnte - wurde er angeklagt, »vorsätzlich und rechtswidrig, da wegen Scheckbetrugs zu einer Haftstrafe beim Department of Corrections verurteilt, während er unter Hausarrest stand, sich des Vollzugs desselben sowie der Haftstrafe durch Flucht entzogen zu haben, indem er sein Haus zu einer vom D. O. C. nicht genehmigten Zeit verließ«.
    Er sei die Straße hinuntergegangen, um sich ein Päckchen Zigaretten zu besorgen, und eine halbe Stunde später als geplant zurück gewesen, erklärte Ron. Er wurde verhaftet, inhaftiert und vier Tage später wegen Entweichens aus einer Strafanstalt

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