Der Gefangene
Schließlich hatte Smith genug und sagte: »Meiner Meinung nach haben Sie Debbie Carter nicht getötet.« Dann bot er Simmons an, eine psychologische Beratung für ihn zu organisieren.
Simmons, der immer verwirrter wurde, beharrte darauf, sie getötet zu haben. Die beiden Detectives beharrten darauf, dass er nicht der Mörder war.
Dann bedankten sie sich für seine Aussage und schickten ihn nach Hause. Im Gefängnis von Pontotoc County waren gute Nachrichten selten, doch Anfang November bekam Ron überraschend einen Brief. Ein Verwaltungsrichter sprach ihm eine Erwerbsunfähigkeitsrente aus dem Sozialversicherungssystem zu. Ein Jahr zuvor hatte Annette in Rons Namen eine Erwerbsunfähigkeitsrente beantragt und geltend gemacht, dass er seit 1979 nicht in der Lage gewesen sei, einer regelmäßigen Arbeit nachzugehen. Der Richter, Howard O'Bryan, sah sich die zahlreichen Unterlagen zur Krankengeschichte Rons an und setzte für den 26. Oktober 1987 eine Anhörung an. Ron wurde aus seiner Zelle geholt und in den Gerichtssaal gebracht. In seiner Entscheidung merkte Richter O'Bryan an: »Der Antragsteller hat durch Unterlagen zu seiner Krankengeschichte ausführlich belegt, dass er über längere Zeit alkoholabhängig war, seine Depressionen mit Lithium behandelt wurden und bei ihm eine atypische bipolare Störung diagnostiziert wurde, die durch atypische Persönlichkeitsstörungen (vermutlich Borderline-Syndrom, Paranoia und dissoziatives Verhalten) noch verstärkt wird. Ohne medikamentöse Behandlung ist er aggressiv, ausfallend und gewalttätig und leidet unter religiösen Wahnvorstellungen und kognitiven Störungen.«
Und weiter: »Es kam wiederholt zu Phasen der zeitlichen Disorientierung und Aufmerksamkeitsdefiziten sowie einer Beeinträchtigung des abstrakten Denkvermögens und der Bewusstseinsebene.«
Richter O'Bryan hatte keine Schwierigkeiten damit, zu dem Schluss zu kommen, dass Ron unter einer »schwerwiegenden manisch-depressiven Erkrankung, Persönlichkeitsstörungen und einer psychischen Störung infolge von Drogenmissbrauch« litt. Darüber hinaus sei Rons psychische Verfassung so schlecht, dass sie ihn daran hindere, einer regelmäßigen Arbeit nachzugehen.
Rons wurde eine Erwerbsunfähigkeitsrente zugesprochen, die rückwirkend ab dem 31. März 1985 und auf Dauer gezahlt wurde.
Ein Verwaltungsrichter hatte in erster Linie die Aufgabe, festzustellen, ob ein Antragsteller aufgrund einer körperlichen oder psychischen Beeinträchtigung erwerbsunfähig war und damit Anspruch auf eine monatliche Rente hatte. Am Verwaltungsgericht ging es um wichtige Fälle, aber nicht um Leben oder Tod. Die Richter Miller und Jones dagegen hatten die Pflicht, dafür zu sorgen, dass ein Angeklagter - insbesondere einer, dem die Todesstrafe drohte - einen gerechten Prozess bekam. Es war eine Ironie des Schicksals, dass Richter O'Bryan Rons psychische Probleme erkennen konnte, während die Richter Miller und Jones dazu nicht in der Lage waren. Barney war so beunruhigt, dass er Rons Schuldfähigkeit beurteilen ließ. Er vereinbarte einen Termin für einen Test bei der Gesundheitsbehörde von Pontotoc County. Die Direktorin der zuständigen Klinik, Claudette Ray, führte eine Reihe psychologischer Tests durch und erstellte ein Gutachten für Barney. Es endete folgendermaßen: »Ron hat aufgrund von situationsbedingtem Stress ständig Angstgefühle. Er sieht sich nicht in der Lage, etwas an seiner Situation zu ändern oder eine Besserung zu erreichen. Es ist möglich, dass er sich aufgrund seiner Panikzustände und seines verwirrten Denkens unangemessen verhält und sich zum Beispiel weigert, bei Voruntersuchungen anwesend zu sein, obwohl er von der Teilnahme profitieren würde. Die meisten Menschen würden darauf bestehen, vor Gericht anwesend zu sein und Informationen und Gutachten zu hören, die darüber entscheiden, ob sie leben oder sterben werden.«
Das Gutachten wurde in Barneys Akte gesteckt und blieb auch dort. Eine Anhörung zur Beurteilung der Schuldfähigkeit zu beantragen war reine Routine, und für Barney wäre ein solcher Antrag nichts Neues gewesen. Sein Mandant saß im Gefängnis, etwa dreißig Meter vom Gerichtsgebäude entfernt, und Barney war fast jeden Tag dort. Der Fall schien geradezu darum zu betteln, dass jemand endlich die Frage der Schuldfähigkeit aufwarf.
Die Anklage gegen Dennis Fritz erhielt durch die Zeugenaussage eines Indianers namens James C. Harjo, der kaum lesen und schreiben konnte, neuen
Weitere Kostenlose Bücher