Der Gefangene
Auftrieb. Harjo war zweiundzwanzig und saß wegen Einbruchs im Gefängnis - er war erwischt worden, nachdem er zweimal in dasselbe Haus eingebrochen war. Im September und Oktober, während er darauf wartete, in ein Staatsgefängnis verlegt zu werden, war Dennis Fritz sein Zellengenosse.
Die beiden freundeten sich an. Dennis hatte Mitleid mit Harjo und schrieb Briefe für den Jungen, von denen die meisten an dessen Frau gingen. Er wusste genau, was die Polizei geplant hatte, denn jeden zweiten Tag holte man Harjo ohne ersichtlichen Grund aus der Zelle - sein Prozess war bereits vorbei -, und sobald er wieder da war, fing er an, Dennis über den Mord an Debbie Carter auszufragen. In einem Gefängnis, in dem es von erfahrenen Spitzeln nur so wimmelte, hatte man mit Harjo eindeutig die schlechteste Wahl getroffen.
Das Vorgehen der Polizei war so offensichtlich, dass Dennis eine aus einem Absatz bestehende Aussage formulierte, die er Harjo jedes Mal, wenn dieser aus der Zelle geholt wurde, unterschreiben ließ. Ein Satz daraus lautete: »Dennis Fritz sagt immer, er sei unschuldig.«
Außerdem weigerte sich Dennis standhaft, mit ihm über den Fall zu sprechen. Davon ließ sich Harjo allerdings nicht abhalten. Am 19. November nahm Peterson einen gewissen James C. Harjo als Zeugen der Anklage in die Akten auf. Am gleichen Tag wurde Dennis' Voruntersuchung unter dem Vorsitz von Richter John David Miller wieder aufgenommen.
Als Peterson ankündigte, dass sein nächster Zeuge Harjo sei, zuckte Dennis zusammen. Was konnte sich dieser dumme Junge ausgedacht haben?
Harjo, der unter Eid stand und erbärmlich schlecht log, erklärte einem sehr ernst aussehenden Bill Peterson, dass er der Zellengenosse von Dennis Fritz gewesen sei und sich anfänglich recht gut mit ihm verstanden habe. Am Abend von Halloween sei ein Gespräch zwischen ihnen jedoch aus dem Ruder gelaufen. Er, Harjo, habe Dennis über Details des Mordes ausgefragt. Dennis habe Mühe gehabt, die Details zu schildern, und ihm sei es dann gelungen, Unstimmigkeiten in der Geschichte zu entdecken. Er sei zu der Ansicht gelangt, dass Dennis den Mord begangen habe, was er ihm auch gesagt habe. Daraufhin sei Dennis sehr nervös geworden. Er habe angefangen, in der Gemeinschaftszelle auf und ab zu gehen, wobei er offensichtlich mit seiner Schuld gerungen habe. As er zurückgekehrt sei, habe er ihn, Harjo, angesehen und mit Tränen in den Augen gesagt: »Wir wollten ihr nicht wehtun.«
Dennis konnte sich den Mist nicht länger anhören und brüllte den Zeugen im Gerichtssaal an: »Du lügst! Du lügst!«
Nachdem Richter Miller die Ordnung wiederhergestellt hatte, machten Harjo und Peterson mit der Märchenstunde weiter. Harjos Aussage zufolge hatte sich Dennis Sorgen um seine junge Tochter gemacht. »Was würde sie denken, wenn ihr Daddy ein Mörder wäre?«, habe er gesagt. Dann kam ein völlig unglaubwürdiges Geständnis. Angeblich hatte Dennis Harjo gegenüber zugegeben, dass er und Ron mit einigen Bierdosen in Debbies Wohnung gegangen waren. Nach der Vergewaltigung und dem Mord hätten sie die leeren Dosen zusammengesucht, alle Oberflächen der Wohnung abgewischt, um ihre Fingerabdrücke zu entfernen, und seien gegangen.
Im Kreuzverhör fragte Greg Saunders den Zeugen, ob Dennis erklärt habe, wie er und Ron ihre eigenen, unsichtbaren Fingerabdrücke abgewischt, es aber gleichzeitig fertig gebracht hätten, Dutzende Fingerabdrücke anderer Personen unberührt zu lassen. Harjo hatte keine Ahnung. Er gab zu, dass mindestens sechs andere Gefangene in der Nähe gewesen seien, als Dennis am Abend von Halloween sein angebliches Geständnis gemacht hatte, aber niemand außer ihm habe etwas gehört. Greg legte Kopien der Aussagen vor, die Dennis vorbereitet und Harjo unterschrieben hatte. Harjo hatte sich in dem Moment unglaubwürdig gemacht, in dem er den Eid abgelegt hatte, aber nach Saunders Kreuzverhör stand er da wie ein Idiot. Was allerdings keine Rolle spielte, denn Richter Miller blieb nichts anderes übrig, als den Prozess für Dennis anzuberaumen. Nach der Gesetzgebung von Oklahoma war es dem Richter bei einer Voruntersuchung nicht gestattet, die Glaubwürdigkeit eines Zeugen zu beurteilen. Die Prozesstermine wurde festgelegt, dann aber verschoben. Der Winter 1987/88 zog sich hin, während Ron und Dennis das Leben im Gefängnis ertrugen und hofften, dass es bald so weit war und sie vor Gericht erscheinen konnten. Nach Monaten hinter Gittern glaubten sie immer
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