Der gefrorene Rabbi
halten, da sich herausstellte, dass das nur einige Türen von der Bank entfernte Werk von Gebirtig & Son zum Verkauf stand.
Nach einer anonymen Anzeige hatte die Polizei in dem florierenden Unternehmen eine Razzia durchgeführt und dabei ein großes Depot verbotener Güter entdeckt. Die Besitzer wurden sogleich verhaftet und wegen Handels mit Schwarzmarktware und Zollbetrugs in mehreren Fällen angeklagt. Die Höhe der Kaution und der laufenden Anwaltskosten (sowie Bestechungsgelder an kriminelle Organisationen, die ihre Zusagen nicht einhielten) zwang sie zum Konkurs, und ihr Vermögen wurde versteigert. Die Firma Feinschmeker & Karp konnte mit ihren neu erworbenen Mitteln alle Konkurrenten mühelos überbieten und das Ice Castle für ein Butterbrot erwerben. Unmittelbar darauf vergaben sie mit der gebotenen Eile Aufträge an Unternehmen, die die geräumigen Etagen der alten Lagerhalle in eine Fabrik für die groß angelegte Produktion von Eis umbauen sollten.
Keiner der beiden Einwanderer hätte vorhersehen können, mit welcher Geschwindigkeit sich die Dinge entwickelten. Mit einem Geschäftssinn, den er zum größten Teil Jochebeds einschlägigen Erfahrungen zu verdanken hatte, ging Max daran, anhand von Schmerls detaillierten Aufstellungen Ausrüstungsgegenstände zu erwerben. Dann wandte er sich der komplexeren Frage der Belegschaft zu. Da das renovierte Ice Castle den Kühlhausbetrieb der Vorgänger fortsetzen sollte, war es möglich, viele nach der Schließung durch die Polizei entlassene Arbeiter wieder zu beschäftigen. Selbstverständlich waren einige Angestellte für den Umgang mit den Eismaschinen auszubilden; das hieß, sie mussten unter anderem die Fähigkeit erwerben, einen Dampfgenerator zu regulieren sowie je nach Wirkung der Temperatur auf die Löslichkeit von Gasen Absorptions- und Kompressionsgrade einzustellen. Dafür konnten die Arbeiter, sobald sie von dem Fachmann Schmerl Karp in die Materie eingewiesen waren, eine Lohnerhöhung erwarten, und dies würde einen Anreiz für alle darstellen, die einen Aufstieg zum aprejter oder Techniker anstrebten. Unter diesen Voraussetzungen durfte man davon ausgehen, dass die Leistung in allen Fertigungsstadien stieg - so stellte es sich Max zumindest vor, der selbst erstaunt war über sein neues Interesse an kommerzieller Produktivität, das er ebenfalls Jochebed zuschrieb.
Inzwischen führte Schmerl seine Berechnungen durch und überwachte den Aufbau eines Maschinenparks, dessen Größe ausnahmsweise fast mit seiner Fantasie Schritt halten konnte. Allerdings war er gezwungen, aus praktischen Erwägungen einige ästhetische Merkmale seiner ursprünglichen Pläne zu opfern. Er musste zugeben, dass diese ausgeklügelte neue Maschine über das rein Zweckmäßige hinaus keinen Wert besaß. Als er jedoch die Montage der Turbine mit der nach seinen Angaben konstruierten schwebenden Vertikalwelle beaufsichtigte und sah, wie sich der Metallblasebalg gleich dem Hals eines Ochsenfroschs mit Gas füllte, wenn dieses sich ausdehnte, um den Motor anzutreiben, war Schmerl so begeistert, als wäre er Zeuge der Schöpfung geworden. Aber er fühlte sich unwohl in der Rolle des Werkmeisters, weil es ihm schwerfiel, anderen bestimmte Zuständigkeiten zu überlassen. Schließlich legte er dieses Problem seinem Freund vor.
Zu beschäftigt, um an einen privaten Umzug zu denken, wohnten die Gefährten nach wie vor in Levines stinkendem Wagenhof. Aus alter Dankbarkeit gegen den Alten erfüllte Schmerl auch weiterhin seine nächtlichen Pflichten, was dazu führte, dass er auf dringend benötigten Schlaf verzichtete und sich völlig verausgabte. Aus Sorge um seinen Freund überlegte Max, wie er ihn von seiner Fron als Kotkehrer erlösen konnte. Und da er ihrem hurtigen alten Wohltäter ebenfalls gewogen war, schlug er als Ausweg vor, Levine die Position als Vorarbeiter im Eiswerk anzubieten.
So kam es, dass Elihu Levine, nachdem er persönlich seine beiden geliebten Schindmähren Akiba und Bar Kochba zur Leimfabrik begleitet hatte, die Leitung von New Yorks erstem Etablissement zur Massenfertigung von wirtschaftlichem und hygienischem Blockeis übernahm. Schmerl konnte nur staunen, wie bereitwillig der Veteran auf ein derart spekulatives Angebot hin seinen jahrzehntealten Beruf aufgab. Nachdem er von den durch Tierexkremente geprägten Lebensumständen befreit war, blühte der alte drekschleper förmlich auf. Voller Schwung warf er sich auf seine neue Aufgabe, passte Preise an,
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