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Der gefrorene Rabbi

Der gefrorene Rabbi

Titel: Der gefrorene Rabbi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Steve Stern
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ihre Zunge zu hüten, stießen die Beamten wüste Flüche aus und gingen von beiden Seiten auf die falschen Teppichreiniger los, während der Bankier wie eine Geisel zwischen ihnen stand.
    Inzwischen gab Schmerls Apparat ein regelmäßiges Tuckern von sich, kontrastiert von einer silberhellen Arie (aus Tosca ?), die durch die Villa hallte. In diesem Moment presste August Belmont II die Hände an die eleganten Schläfen, die grau meliert waren wie die Flügel an Merkurs Helm, und rief: »Das ist unerhört!« Doch dann - weil er in der Lage war, etwas Gutes zu erkennen, wenn er es sah - gebot er dem wilden Tumult Einhalt. Schmerls Maschine hatte nämlich hustend und spuckend begonnen, durchsichtige Barren hervorzuwürgen, von denen einer zerschmettert wurde, als jenseits der Wände des Studierzimmers ein unglaublich hoher Ton erklang.
     
    Die murrenden Beamten Golighty und McCool ließen sich bald besänftigen durch die Großzügigkeit, mit der sie der Bankier für ihre Mühen entschädigte. Und nachdem Schmerl mit würdevoller Geste, als würde er kapitulierend seinen Säbel aushändigen, den Schlagstock zurückgegeben hatte, wurde die Bank verständigt und ein Anwalt dazugebeten, um die Bedingungen eines Darlehens vertraglich festzulegen. Fünftausend war der Betrag, der angeboten wurde; doch als Schmerl seinen Partner ansah, um sich seinem freudigen Nicken anzuschließen, vernahm er verblüfft, wie Max im Gegenzug kühl zehntausend vorschlug. Ohne mit der Wimper zu zucken, ging der Bankier auf siebentausendfünfhundert, eine Summe, die ausreichen musste, um die Kosten für Räumlichkeiten, Ausrüstung und Vorarbeiten zu decken; mit dem Überschuss konnten die (zum gegenwärtigen Zeitpunkt mittellosen) Besitzer zudem ein angemessenes Gehalt für sich selbst bestreiten. Die Sprache des Kreditvertrags war beängstigend (»Die Unterzeichneten bestätigen den Erhalt einer Summe von … und sichern im Gegenzug gemeinsam und einzeln zu, diese, zuzüglich fünfundzwanzig Prozent Zins, per annum an die Order des Kreditgebers zurückzuzahlen …«), doch dem neuen Unternehmen Feinschmeker & Karp wurde versichert, dass der Vertrag nur pro forma aufgesetzt wurde, und zumindest einer der Kompagnons begriff, dass die Summe für den Bankier nur eine Kleinigkeit war, zumal ihm mit dem Geschäft hohe Gewinne winkten.
    Während der Verhandlungen servierte der Bedienstete, der ihnen soeben noch die Polizei auf den Hals gehetzt hatte, den beiden Freunden in ihrer von dem überstandenen Handgemenge verrutschten Arbeitskleidung Brandy und kubanische Zigarren. Durch die hohen Fenster fielen Sonnenstrahlen und tauchten alles im Zimmer - die Messingrahmen, die Kristallkaraffe, den Nickelkneifer auf der königlichen Nase des Finanziers - in einen honiggoldenen Schein; die zwei Einwanderer hatten den Eindruck, an einem einzigen Tag von den wilden Außenbezirken der Zivilisation in deren Kern vorgedrungen zu sein.
    Der Anwalt, der das Dokument beglaubigen und den Scheck überreichen musste, nahm das Erscheinungsbild der Partner völlig ungerührt zur Kenntnis. Wenn ihm die Vorgänge seltsam vorkamen, so ließ er sich nichts davon anmerken; und die Selbstverständlichkeit, mit der er ihnen den Füllfederhalter mit Goldspitze reichte, bewegte die Kompagnons dazu, mit rückhaltloser Begeisterung zu unterzeichnen. Sie schüttelten dem Kreditgeber und dem Zeugen, dann einander die Hand und besiegelten damit stillschweigend ihre Einschätzung, dass trotz der Eisstücke im Auffangtrog von Schmerls Maschine ein Wunder geschehen war. Beide gingen davon aus, dass sie sich von nun an in ihrem Leben an Wunder gewöhnen mussten.
    Höflich, aber bestimmt lehnten die jungen Männer die Einladung ab, sich an Mr. Belmonts ehrwürdiges Institut zu wenden. Sie zogen es vor, den Scheck auf ein Konto bei Jarmolowsky’s Immigrant Bank einzuzahlen, weil diese ihren Sitz an der Canal Street und damit unweit von ihrem Zuhause hatte. Es sollte sich um ein Gemeinschaftskonto handeln, und sie hielten es auch nicht für nötig, die Rollenverteilung zwischen ihnen förmlich zu bekräftigen. Die Vereinbarung war klar: Max mit seiner raschen Auffassungsgabe würde sich um die finanzielle Seite des Geschäfts kümmern, während Schmerl für die technischen Fragen zuständig war. Sie legten den Darlehensvertrag in ein Schließfach und machten sich unverzüglich auf die Suche nach einer geeigneten Immobilie für die Herstellung von Eis. Sie mussten nicht lange Ausschau

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