Der gefrorene Rabbi
fanden sich nach einer weiteren Viertelstunde vor einer Tür am Ende eines von Säulen mit goldenen Kapitellen gesäumten Gangs wieder. Als sie durch den Türspalt spähten, erblickten sie Bücherregale, die sich bis zur gewölbten Decke erhoben, einen Kamin, über dem das Porträt eines backenbärtigen Vorfahren hing, und einen Schreibtisch, so breit wie ein Katafalk. Hinter diesem saß ein sorgfältig gekämmter Gentleman, der mit einem goldbronzenen Papiermesser Briefe öffnete und den Max anhand von Zeitungsfotos als den Hausherrn identifizieren konnte.
Mit einem unbekümmerten Augenzwinkern schob Max die Tür auf, und die beiden Gefährten traten mit ihrem zugedeckten Apparat über die Schwelle. Sichtlich aufgebracht erhob sich der Bankier aus seinem Stuhl und fragte: »Wie kommt ihr hier herein?« Hastig band er sich den moirierten Hausmantel um. Während er sie bereits lautstark zum Verschwinden aufforderte, nickte Max Schmerl zu, woraufhin der Erfinder den Akkordeonstutzen von seiner Vorrichtung nahm und wie ein Kellner, der ein Hauptgericht präsentiert, die Papierbedeckung wegzog, um seine Wintermaschine zu enthüllen.
»Eure Eminenz.« Max übernahm die Rolle des Impresarios. »Wenn Sie gestatten.«
Der Finanzier fixierte sie böse und rief: »Wexelman!« Kurz darauf erschien schnaufend der Butler. »Haben Sie diese Herrschaften eingelassen?« Mit einem Taschentuch über seine Stirnfurchen tupfend, unternahm Wexelman den Versuch einer Entschuldigung - die Haushälterin hatte doch erwähnt , dass die Teppiche gereinigt werden sollten. Doch der Hausherr schnitt ihm das Wort ab und forderte ihn auf, sogleich die Polizei zu verständigen.
Als sich Wexelman zurückzog, drehte Schmerl an einer Kurbel, die mit einem Funken eine Stichflamme in der flaumigen Form einer Drachenwurz entfachte. Unmittelbar darauf setzten sich Räder in Bewegung, ein Zylinder hob und senkte sich, und der Erfinder erklärte sein Äthylammoniak-Kompressionssystem: »Presst der Kolben in dem Gefäß auf ein pintele von dem normalen Volumen die gewöhnliche Luft, dann löst er den Druck und kann sich die Luft wieder ausdehnen.« Die kühlende Wirkung, die diese Ausdehnung erzeuge, ziehe die Wärme aus der Salzlauge um das Gefäß, wodurch wiederum das Wasser innen abkühle, setzte er seine Ausführungen fort. Diese Methode stand im Gegensatz zum Absorptionssystem, das seine Vorgänger bevorzugten. Natürlich konnte man auch Schwefeldioxid oder Methylchlorid benutzen, allerdings waren dies giftige Verbindungen, die letztlich sogar den Tod des Maschinisten herbeiführen konnten …
»Wovon redet der Mann?«, wollte der gereizte Finanzier wissen.
Max übertönte Schmerls schwindelerregenden Diskurs mit einer schlichten Feststellung: »Herstellung von dem Eis, Euer Ehren; sogt er, wie mit dieser Maschine können wir machen künstliches Eis. Mein Kollege, Mr. Karp …«
»Das hier ist kein Patentamt«, protestierte Belmont entsetzt, als er dieses trollartige Individuum an einem infernalischen Mechanismus herumhantieren sah, der womöglich gleich explodieren konnte. Vielleicht handelte es sich sogar um eine ganz besonders raffinierte Bombe. Diese Ostjuden waren doch sowieso fast alle Anarchisten, die mit ihrer wahnwitzigen Ideologie die Reichen ins Visier nahmen. In diesem Augenblick schob sich Wexelmans medizinballgroßer Wanst ins Arbeitszimmer, gefolgt von zwei mürrischen Polizisten, die er mit herrischer Geste hereinwinkte.
»Meine Herren«, erklärte Belmont, »diese Männer sind hier ohne Erlaubnis eingedrungen. Nehmen Sie sie bitte fest.«
Die Polizisten in Mackintosh-Umhängen und Kuppelhelmen, deren Riemen straff unter der vorgeschobenen Unterlippe saß, tauschten einen boshaften Blick aus. Dann machten sie sich sogleich über Max (der den Millionär noch immer um Geduld bat) und Schmerl (der noch immer die Dynamik mechanischer Kühlung erklärte) her. Als er jedoch bemerkte, dass sein Freund von einem Arm des Gesetzes festgehalten wurde, dessen zweiter Arm einen Schlagstock schwang, entwand sich Schmerl - der sich in derselben Zwangslage befand - dem Griff seines Häschers, stürzte sich auf den anderen Beamten und packte dessen erhobenen Knüppel. Die Verwirrung dieses Polizisten nutzend, befreite sich Max aus dem Schwitzkasten, um hinter dem Schreibtisch des Finanziers Schutz zu suchen, wo sich sogleich Schmerl zu ihm gesellte, der nun im Besitz des Gummiknüppels war. Trotz Wexelmans Mahnung, in Gegenwart von Mr. Belmont
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