Der gefrorene Rabbi
Abenden saß Lou Ella gern auf der Motorhaube des Coupés und malte sich aus, wie Schwarz-Weiß-Filme auf die vom Kudzuwein überwucherte Leinwand projiziert wurden, deren zerschlissenes Gewebe im Scheinwerferlicht safrangelb schimmerte. Heute stellte sie sich einen Horrorfilm vor, wie sie ihn aus dem Spätprogramm des Fernsehens kannte.
»Da ist dieser Junge, der sich im Zirkus so ein Chamäleon holt, das man sich an den Kragen macht, und es hat auf einmal die gleiche Farbe wie das Hemd. Er besucht seine Mama im Krankenhaus, die dort eine Strahlenbehandlung macht. Das Chamäleon kriegt was von den Strahlen ab, und am nächsten Morgen ist es so groß wie der Fels von Gibraltar.«
»Und es ist immer noch an seinem Kragen?«, fragte Bernie.
»Nein, Blödmann. Es war doch nur an so einer dünnen Plastikkette. Aber trotzdem gibt es noch so was wie ein Band zwischen dem Jungen und dem Monster. Jedenfalls, das Monster verschlingt ganze Städte, aber die Army kann es nicht finden, weil es sich an jede Landschaft anpasst. Und …«
»Lass mich raten. Die Army rekrutiert den Jungen, der das Monster als Einziger sehen kann, und er gibt ihm einen Riesenfleischkloß zu fressen, in dem eine Atombombe versteckt ist.«
»Du hast ihn auch gesehen.«
»Und was wird aus seiner Mama?« Er wusste, dass sie sentimentale Enden mochte.
»Ach, sie und alle anderen Krebspatienten auf der ganzen Welt werden von der grünen Wolke geheilt, die den Planeten nach der Explosion des Monsters umgibt.« Mit einem Ärmel trocknete sie sich die Augen. »Jetzt bist du dran.«
Bernie musste nicht lange nachdenken. »Da ist dieser Junge« - am Anfang war immer ein Junge -, »der an einem Tag aufwacht, der irgendwie ein zusätzlicher Kalendertag ist, ein Tag, der alle anderen Tage in sich vereint.«
Lou gähnte demonstrativ. »Schon wieder so was.« Bernies Geschichten drehten sich immer um irgendein okkultes Konzept ohne erkennbare Handlung.
»Alles, was je passiert ist, passiert gleichzeitig, und der Junge - er hat die Pubertät schon hinter sich - trifft eine Frau, die Bat-Scheva ist, aber zugleich Königin Esther und Bess Myerson und Penélope Cruz …«
»Also auch ein Chamäleon«, bemerkte Lou, die trotz ihrer gespielten Langeweile eine Schwäche für Bernies besonderen Blödsinn hatte.
»Und sie lädt ihn in ihr Zelt oder Boudoir ein.« Danach schilderte er die Verführung in anschaulichen Begriffen. »Sie bittet ihn, an ihren Nippeln zu lutschen, als wären sie Jujuben, und ihre Schenkel zu öffnen …«
»Wie die Klingen von einer Schere. Du hast nicht gesagt, dass das ein Porno wird.«
In diesem Augenblick glaubte Bernie auf der zerfetzten Leinwand zu sehen, wie sich all die mythischen Damen zum Abbild des Mädchens neben ihm zusammenfügten, und er machte sich daran, mit der Zunge die sanften Windungen ihres Ohrs nachzufahren. Sie ließ ihn gewähren, und das Geknutsche erreichte eine Intensität, die Bernie, obwohl ihm die Darmleerung der vergangenen Nacht noch in den Gliedern saß, zielstrebig vorantrieb. Seiner Meinung nach hatte er ein richtiges Vorspiel eingeleitet, das unweigerlich zum Vollzug führen musste. Im Lauf der Zeit hatte sich Lou Ella damit abgefunden, dass das Gefummel nur ein Mittel war, um ihren »Freund« in astrale Regionen zu schießen; eher ein gegenseitiges Betasten unter Schülern als die echte Intimität eines Liebespaars. Doch obwohl sie wie immer provokant gekleidet war - ein Strass im Nabel und Jeans, deren Bund das Schambein streifte -, war sie beunruhigt über Bernies ungewohnte Glut.
»Komm wieder runter.« Sie hatte allmählich genug von falschen Hoffnungen. »Nur nichts überkochen lassen.« Sie schob ihn auf Armeslänge von sich.
Als Bernie keine Reaktion zeigte und weitermachte, schwante ihr, dass eine neue Ära begonnen hatte.
»Was willst du?«
»Uhh«, stöhnte er ihr in den Nacken.
»Mich oder meinen Körper?«
»Daf Gleife«, ächzte er, während er an ihrer Schulter nagte.
Fragend kippte sie den Kopf. »Ziemlich große Töne von einem Astralkörper wie dir.«
Trotzdem musste sie ihn noch um Geduld bitten, damit sie den Kindersitz, in den Sue Lily schon fast nicht mehr hineinpasste, von hinten nach vorn verfrachten konnte. Nachdem sie mit der leblosen Kleinen Plätze getauscht hatten, machten sie sich daran, gegenseitig an ihren Kleidern zu zerren. Im Bann einer Fleischeslust, die offenbar auch das Mädchen angesteckt hatte, spürte Bernie, wie ihre Finger in seinen Hosenschlitz
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