Der Gefundene Junge
wurde Hap langsam langweilig. Er spähte auf den Hafen hinunter, um nachzusehen, ob Occos Schiff wiederaufgetaucht war. Das war nicht der Fall, aber nach dem, was die Hexe gesagt hatte, konnte ihn das auch nicht beruhigen: Er wird ganz sicher zurückkommen â¦
Hap wünschte sich, er könnte Umber auf seiner Terrasse besuchen, doch Umber wollte offensichtlich allein sein. Die plötzliche Veränderung, die er durchgemacht hatte, war seltsam. Seine Energie, sein Humor und seine Ausgelassenheit schienen verwelkt zu sein wie eine Blume im Frost und er war nur noch ein Schatten seiner selbst.
Hap ging auf der Suche nach Gesellschaft nach unten und freute sich, Sophie mit einer Schale Obst aus der Küche kommen zu sehen. Sie senkte wie üblich den Blick, als sie ihn erspähte, und versteckte ihren versehrten Arm hinter dem Rücken. Aber ihre Mundwinkel gingen ebenso nach oben wie seine.
»Hallo, Sophie. Dich habe ich ja lange nicht gesehen.«
»Ich arbeite an den Stichen für Umbers Bücher«, antwortete sie. »Sie nehmen viel Zeit in Anspruch, und Lord Umber möchte gern, dass ich sie fertigstelle, solange mir die Bilder noch frisch im Gedächtnis sind. Nicht, dass ich den Tyrannenwurm jemals vergessen könnte.« Sie biss sich auf die Unterlippe. »Möchtestdu mal den Raum sehen, wo ich die Zeichnungen anfertige, Hap?«
»Ja, gern.« Hap wollte gerade dazu ansetzen, ihr von Umbers seltsamer Verwandlung zu erzählen, als ihn ein wütender Ausruf unterbrach.
»Du da! Happenstance!« Es war Lady Truden. Sie kam auf sie zugestürmt und sah Hap zornig an.
Hap wusste nicht, wie ihm geschah. Er krampfte die Hände in sein Hemd und versuchte zu erraten, was er falsch gemacht haben könnte. Nach ihrer Miene zu urteilen, musste es etwas sehr Schlimmes sein, aber er konnte sich nicht vorstellen, was. Als er schon dachte, sie wollte ihn über den Haufen rennen, blieb sie keinen halben Meter vor ihm abrupt stehen.
»Was ist mit Lord Umber los? Was zum Teufel hast du angestellt?«, sagte sie und beugte sich mit verzerrtem Gesicht über ihn.
»Ich ⦠gar nichts«, sagte Hap.
»Ist Lord Umber krank?«, fragte Sophie kaum hörbar.
Lady Trudens Augen schossen zu ihr hin. »Die Traurigkeit ist zurück. Und zwar schlimmer als je zuvor.«
Sophie schaute auf das Obst in ihrer Schale. »Aber warum glauben Sie denn, dass Hap daran schuld ist? Das ist doch auch vorher schon passiert, und da war Hap gar nicht hier.«
Lady Truden schnaubte laut. »Mit dir habe ich nicht gesprochen, junge Dame. Hast du nichts zu tun?« Sophie schien auf die Hälfte ihrer KörpergröÃe zu schrumpfen und eilte davon.
»Und?«, fauchte Lady Truden. »Bevor er den Morgen mit dir verbracht hat, war er noch guter Dinge!«
Hap verging fast unter ihrem wütenden Blick. »Ich weià nicht, was passiert ist. Wir waren zuerst bei Smudge. Und dann hat er mich mit zu ⦠zu seinem Gast genommen.«
Lady Truden schnappte nach Luft. »Zu der Hexe? Warum denn das?«
»Er dachte, sie wüsste vielleicht â¦Â«
»Also ist es doch deine Schuld!«, sagte sie und fuchtelte mit dem Finger vor seiner Nase herum. »Ich habe ihm gesagt, dass er nicht mit ihr reden soll. Das regt ihn immer so auf! Er wäre niemals zu ihr gegangen, wenn du nicht hergekommen wärst â¦Â« Sie ballte ihre Hände so fest zusammen, dass Hap ihre Fingerknöchel knacken hörte.
Hap spürte, wie er knallrot anlief. »Aber ⦠Lord Umber wird es doch sicher bald wieder besser gehen, oder?«
»Das hoffe ich für dich«, sagte Lady Truden. »Ich habe ihn noch nie so niedergeschlagen gesehen! Halte dich gefälligst von ihm fern, damit es nicht noch schlimmer wird. Hast du mich verstanden?« Sie starrte ihn mit aufgeblähten Nasenlöchern an und wartete auf eine Antwort. Hap hatte plötzlich einen sauren Geschmack im Mund. Er wusste nicht, was er sagen sollte.
Rettung nahte in Gestalt von Balfours grauem Schopf, der aus der Küche herausgestreckt wurde. »Hap! Komm mal her und hilf mir, ja? Und zwar jetzt gleich, wenn ich bitten darf.«
Lady Trudens Gesichtsausdruck glich dem der Katze, als sie Thimble als Beute verloren geben musste. »Entschuldigen Sie mich, Lady Truden«, sagte Hap und suchte Zuflucht in der warmen Küche.
Hap starrte in den Becher mit heiÃer Milch und Zimt, den
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