Der Gefundene Junge
hinter ihm herstampfte.
Als Hap auf die Terrasse hinausstürzte, wurde er vom Sturm beinahe zu Boden geworfen. Die Regentropfen waren wie Nadelstiche auf seiner Wange. Als er das erste Mal Umbers Namen zu rufen versuchte, verschlug ihm der Sturm den Atem. Er drehte den Kopf und formte mit der Hand einen Trichter. »Lord Umber! Vorsicht! Occo ist hier!«
Auch Oates lief auf die Terrasse hinaus. Mit seiner tiefen Stimme schloss er sich Haps Ruf an: »Umber! Umber!«
Sophie holte Hap ein, lieà Bogen und Köcher fallen und begann umständlich, den Haken an ihren versehrten Arm zu schnallen. »Hap, kannst du ihn sehen?«, rief sie.
Hap warf den Kopf nach links und rechts. Umbers Lieblingsbank war leer. Darüber peitschten die Ãste des Baums wie Fangarme hin und her.
»Wo hast du ihn gesehen?«, schrie Oates. Hap zeigte auf die AuÃenmauer, die der Bucht zugewandt war. Oates rannte mit erhobener Streitaxt zur Brüstung.
Vielleicht haben wir es vor ihm geschafft , hoffte Hap aus tiefstem Herzen. Ein Klappern drang an sein Ohr, und er blickte zu Umbers Turm. Der heulende Sturm riss die Tür auf und schlug sie gleich wieder zu. »Seine Tür ist offen!«, rief Hap. Zwischen den geschlossenen Läden des darüber liegenden Fensters drang einLichtschein hervor. Er kann uns nicht hören , dachte Hap. Er stellte die Laterne hin. Die anderen brauchten sie, er nicht; auÃerdem wollte er beide Hände für den Speer frei haben. Um nicht zu stürzen, lehnte er sich in den Wind und rannte auf die Tür zu.
Sophie rief ihm etwas nach, doch der Sturm riss ihre Worte davon. Die Tür flog erneut auf, als wollte sie Hap hereinlassen, und kaum dass er drinnen war, knallte sie auch schon wieder zu. In der Befürchtung, Occo und nicht der Wind könnte die Tür zugeworfen haben, drehte sich Hap mit erhobenem Speer in alle Richtungen, aber da war niemand. »Lord Umber!«, rief er noch einmal. Keine Antwort.
Hap sah sich verzweifelt um. Trotz seiner Besorgnis war er sich deutlich dessen bewusst, dass er noch nie hier gewesen war. Sein Blick glitt rasch durch den ganzen Raum: Gekrümmte Wände eines runden Turms. Ein Glas mit Glimmerwürmern an einem Querbalken. Ein Stuhl und eine FuÃbank neben einem erloschenen Kamin. Ein Esstisch mit einer unberührten Mahlzeit für eine Person und einem Kristallkelch mit Wein. Daneben ein kleiner Ofen.
Kein Occo. Kein Umber.
An der Wand führte eine Treppe hinauf. Hap hörte oben etwas klappern. Seine Stimme überschlug sich, als er noch einmal rief: »Lord Umber?« Der Speer zitterte in seiner Hand.
Die Tür sprang auf und Sophie trat ein. Pfeil und Bogen waren einsatzbereit.
»Nach oben!«, rief Hap und nahm fünf Stufen auf einmal.
»Hap, da darfst du nicht hin!«, rief Sophie ihm hinterher, doch Hap war bereits oben angekommen. Dort befanden sichzwei Zimmer, mit dem Treppenabsatz dazwischen. Ein schneller Blick zeigte Hap, dass das kleinere Zimmer fast ganz von einem groÃen, mit einem Gazevorhang umgebenen Bett ausgefüllt wurde. »Lord Umber, sind Sie hier?«, fragte er. Und dann hörte er aus dem anderen Zimmer erneut das Klappern.
Es ist das Zimmer, das ich nicht betreten darf , wurde Hap in dem Moment bewusst, als er hineinsprang. Es klapperte ein drittes Mal â es war der Sturm, der an den Fensterläden zerrte. Seine Augen suchten den Raum hektisch nach Umber oder dem Feind ab.
In dem Zimmer stand ein Schreibtisch mit Pergamentstapeln. Und mitten auf dem Tisch stand das Ding, von dem Hap wusste, dass er es keinesfalls sehen sollte.
27
Hap erkannte den Gegenstand an dem ungewöhnlichen Metall, aus dem er gemacht war: so glatt wie die Oberfläche eines Sees.
Als er zu Umbers Fenster hochgesprungen war, hatte er die andere Seite gesehen, die das seltsam flackernde Licht ausgestrahlt hatte. Diese Seite aber war anders. Ihre gesamte Oberfläche bestand aus poliertem Metall, und am unteren Ende befanden sich Scharniere, mit denen man den Kasten wie einen Koffer aufklappen konnte. AuÃerdem fiel Hap ein Wort auf, das in groÃen Buchstaben in die senkrecht ihm zugewandte Fläche eingraviert war. Aber es war kein Wort, das er kannte:
REBOOT
Ein Schrecken durchfuhr Hap, als ihm klar wurde, dass er soeben genau das getan hatte, was ihm Umber strengstens verboten hatte. AuÃerdem hatte er Umber noch immer nicht gefunden. Raus hier! Sofort!
Er rannte so schnell
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